Grönland/Dänemark. Immer wieder kommt es vor, dass Sozialämter Kinder aus verschiedenen Gründen aus ihren Familien nehmen müssen – auch gegen den Willen der Eltern. Das soll eigentlich dem Kindeswohl dienen. In Dänemark werden im Verhältnis fünf mal so viele Kinder aus Familien mit grönländischem Hintergrund entzogen wie aus Familien mit dänischem. Eine Ursache dafür könnte ein Test sein, der zur Beurteilung der Eltern verwendet wird und bei dem Grönländer aus sprachlichen oder kulturellen Gründen oft schlechter abschneiden. Gegen diesen Test hatte die grönländische Regierung lange protestiert – nun soll in Dänemark das Gesetz geändert werden. Darüber berichteten DR, Sermitsiaq und KNR.

Vor der Tür einer grönländischen Familie in Grönland. Foto Thomas Christiansen
Im November 2024 gab es einen besonders traurigen Fall: Die Kommune Thisted entzog einer 38-jährigen Grönländerin gut zwei Stunden nach der Geburt die neugeborene Tochter und brachte sie zu Pflegeeltern. Die Entscheidung der Behörden dafür war schon vorab gefallen. Damit kochte die Diskussion erneut hoch, die eigentlich schon seit 2022 läuft: Damals hatte das dänische Forschungs- und Analysezentrum für Wohlfahrt (VIVE) seine Untersuchung zu diesem zahlenmäßigen Missverhältnis in Bezug auf den Kindesentzug veröffentlicht, und in den Medien berichteten grönländische Eltern in Dänemark von ihren schlechten Erfahrungen mit den Behörden. Immer wieder ging es dabei auch um den Test, den sie hatten absolvieren müssen, den „Elternkompetenztest“. Hier hatten grönländische Eltern zum einen Nachteile, wenn sie nicht gut genug Dänisch konnten. Zum anderen hatten sie teilweise bei bestimmten Fragen, zum Beispiel dem Rorschach-Test, einfach andere Assoziationen als jemand, der in Dänemark aufgewachsen ist.
Der Elterntest wird zum Streitfall
Zwar ist dieser Test nur ein Baustein im Beurteilungsprozess – darauf wies eine der beteiligten Forscherinnen hin. Deshalb hätte man auf ihn verzichten können, meinte sie. Doch das geschah zunächst nicht. Es sollte eine für Familien mit grönländischem Hintergrund angepasste Version geschaffen werden, und so lange wurde der dänische Test weiter benutzt. Nachdem die Diskussion im Herbst angesichts des Falls in Thisted erneut hochkochte, Demonstrationen abgehalten wurden und grönländische Politiker Druck machten, schrieb die dänische Sozialministerin Sophie Hæstorp Andersen einen Brief an die Kommunen. Einige verzichteten danach auf den Elterntest, zum Beispiel Esbjerg und Kopenhagen, andere nicht. Grönländische Politiker drängten auf eine gesetzliche Lösung.
Plötzliche Lösung – dank Grönlands neuer Prominenz?
Die soll nun kommen, meldete gestern das dänische Sozialministerium. Statt des Tests soll künftig eine eigene Einheit mit Wissen um die grönländische Sprache und Kultur den Kommunen in solchen Fällen beistehen. Zurzeit sind 460 Kinder mit grönländischem Hintergrund in Dänemark außerhalb ihrer Familien untergebracht, bei diesen soll die Situation erneut geprüft werden. Vor kurzem hatte die Sozialministerin eine Gesetzesänderung noch abgelehnt. DR vermutet, dass die plötzlich riesengroße Aufmerksamkeit für Grönland das Umdenken beschleunigt haben könnte, was die Ministerin allerdings bestreitet.
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