Sápmi – das Land der Samen

Noch bevor jemand daran dachte, nördlich des Polarkreises Grenzen zu ziehen, lebten dort Menschen. Von Jagd, Fischfang und später zunehmend von der Rentierhaltung. Die Namen für dieses Volk variierten – heute hat sich „Samen“ durchgesetzt, nach ihrer eigenen Bezeichnung „sámit“, und „Sápmi“ für das von ihnen bewohnte Gebiet. Es erstreckt sich über vier Länder: Norwegen, Schweden, Finnland und die russische Kola-Halbinsel.

Sápmi.

Sápmi. Karte auf Basis von Rogper/ Wikimedia CC BY-SA 30

Der Umgang mit dem Urvolk im Zuge der Besiedelung des Nordens verlief zwar nicht blutig und kriegerisch wie in Amerika. Doch über die Jahrhunderte wurden seine Bewegungsfreiheit und seine Rechte immer mehr eingeschränkt. Und sein sozialer Status sank immer mehr: Aus den zuerst hoch geschätzten Handelspartnern, die die Natur kannten und der Kälte trotzten, wurden eine Gruppe, der man sich überlegen fühlte und die man meinte, bevormunden zu müssen. Dabei verfuhren die Länder unterschiedlich, gemeinsam ist  jedoch, dass die samische Sprache und Kultur massiv unterdrückt wurde. Für einen weiteren hässlichen Aspekt sorgten Wissenschaftler, die der Rassentheorie anhingen, Schädel vermaßen und auch vor der Plünderung von Friedhöfen nach weiterem Anschauungsmaterial nicht zurückschreckten.

Silje Karine Muotka

Silje Karine Muotka, Präsidentin des norwegischen Sameting. Foto Árvu/Sametinget

Heute darf wieder Samisch gesprochen werden. In Norwegen, Schweden und Finnland gibt es jeweils samische Parlamente (Sameting auf Schwedisch und Norwegisch, auf Nordsamisch Sámediggi), die zum einen politische Initiativen umsetzen, zum anderen Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Dabei geht es vor allem um die samische Sprache und Kultur, aber auch um  Erwerbszweige wie Rentierzucht, samisches Handwerk und Fischerei.

Die finnischen Samen hatten bereits seit 1973 eine gewählte Vertretung, die aber erst seit 1996 auch Sámediggi heißt. Sitz ist Inari. Der norwegische Sameting wurde 1989 eröffnet und hat seinen Sitz in Karasjok.  In Schweden wurde das samische Parlament 1993 eingerichtet, Sitz ist Kiruna. Wahlberechtigt ist, wer samisch spricht oder zumindest Eltern oder Großeltern hat, deren Muttersprache noch samisch war. Nach dieser Definition gibt es heute rund 40 000 Samen in Norwegen, 20 000 in Schweden, 10 000 in Finnland und 2000 in Russland. Dort gibt es  keine offiziell anerkannte Vertretung. Die Gruppen arbeiten auch über die Ländergrenzen hinweg zusammen. Der gemeinsame samische Nationaltag ist der 6. Februar.

Konflikte heute

Sápmi Flagge

Die Flagge von Sápmi ist in allen vier Ländern gleich.

Das „Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern“ der internationalen Arbeitsorganisation ( besser bekannt als ILO 169, Rechte der Urvölker) gilt theoretisch auch für sie: Norwegen hat es ratifiziert, Schweden, Finnland und Russland bisher nicht. Die Abwehrhaltung dürfte sich insbesondere darauf beziehen, dass die Konvention auf das Recht der Urvölker an Land, Wasser und Ressourcen erinnert.

An der Frage, wem welches Land gehört und wer was damit machen darf, entzünden sich immer wieder Konflikte. Zwar ist das Weiderecht der Rentierherden grundsätzlich geregelt. Doch jedes neue Bergwerk, jeder neue Stausee oder eine andere Nutzung des Landes schränkt deren Raum immer mehr ein.

Die Alta-Kautokeino-Sache

Alta-Kautokeino-Protest

Lasst den Fluss leben – Erinnerung an
die Proteste gegen den Kraftwerksbau, die
“ Alta-Kautokeino-Sache“, im Museum von Alta.

Der seit 1968 geplante Bau des Damms am Alta/Kautokeinofluss gilt als umstrittenster Kraftwerksbau der Geschichte Norwegens. Die Samen protestierten dagegen, weil sich sowohl die Bedingungen für die Rentierhaltung als auch beim Fischfang an diesem wichtigen Lachsfluss verschlechtern würden. Erste Entwürfe sahen auch noch die Flutung des Ortes Maze vor. Es kam zu Hungerstreiks vor dem Storting in Oslo und zu einer Besetzung des Geländes. Unterstützt wurden sie von den Kommunen Alta und Kautokeino und von  Umweltschützern. Das Kraftwerk wurde nach diversen Gerichtsentscheidungen trotzdem gebaut und war 1987 fertig. Der Konflikt gilt aber als Wendepunkt der norwegischen Samenpolitik. In der Folge wurde das Mitspracherecht ausgebaut und 1989 der Sameting eröffnet.

Der Kampf um Kallak

Massive Auseinandersetzungen gibt es seit 2010 auch um ein geplantes Bergwerk  bei Kallak am Lille Luleälv in der Nähe von Jokkmokk (Schweden) – und dieser Konflikt ist immer noch nicht endgültig entschieden. Dort will die britische Beowulf Mining über eine schwedische Tochtergesellschaft Erz abbauen. Die Anlage würde die Zugwege für die Rene abschneiden. Die örtliche Samengemeinschaft ist deshalb komplett dagegen. Umweltschützer fürchten die Verschmutzung von Boden und Fluss.  Nicht weit entfernt von Kallak beginnt außerdem das Unesco-Welterbe Laponia, das vier Nationalparks verbindet. Die samische Kultur gehört ausdrücklich zum Welterbe dazu.

Im März 2022 erteilte die schwedische Regierung die Bearbeitungskonzession unter Auflagen. Die Umweltprüfung, die von einem Gericht durchgeführt wird, steht noch aus.

Der Girjas-Prozess

Um die Frage, wer über das Land bestimmen darf, geht es auch im „Girjas-Prozess“ in Nordschweden: Seit 2009 kämpft Girjas Sameby (die Samenkooperative von Girjas) gemeinsam mit dem landesweiten Samenverband darum, die Fischereirechte und die Jagdrechte auf Kleinwild in ihrem Gebiet selbst vergeben zu dürfen. Vor dem Amtsgericht (Tingsrätten) hatten sie 2016 Recht bekommen. In der  nächsthöheren Instanz (Hovrätten) in Umeå gab es 2018 ein Urteil, das das Recht der Samen zwar anerkannte, aber viele Fragen offen ließ. Im Januar 2020 fällte das Oberste Gericht (Högsta Domstolen) in Stockholm die endgültige Entscheidung: Die Rechte liegen bei Girjas Sameby.

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