Der kürzeste Weg von Schweden nach Finnland und umgekehrt ist ein Schritt auf dem Victoriaplatz. Hier treffen die schwedische Kleinstadt Haparanda und das geschichtsreiche finnische Tornio aufeinander, darunter im Rohr ein Arm des Torne-Flusses. So strikt wie auf der Karte ist die Grenze nicht im Alltag der Menschen: Sie gehen von der einen Seite zur anderen, arbeiten und wohnen da, wo es gerade besser passt. Aufpassen muss man nur auf den Zeitunterschied: Finnland ist Schweden eine Stunde voraus.
Das Konglomerat Haparanda-Tornio zeigt, wie Grenzen überwunden werden können und ist doch gleichzeitig zutiefst geprägt davon. Tornio war in seiner mehr als 400-jährigen Geschichte schwedisch, russisch und finnisch. Heute macht die Grenze vor allem durch den Snus-Schmuggel Schlagzeilen. Das Schmuggelgut gibt es in Haparanda legal zu kaufen – neben den Möbeln aus dem nördlichsten Ikea der Welt sorgt der Oraltabak für Umsatz in der schwedischen Grenzstadt mit dem finnischen Namen.
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Außer der von Menschen geschaffenen Grenze prägen aber auch die Gegebenheiten der Natur die Zwillingsstädte: der mächtige Torne-Fluss, die Lage am nördlichsten Ende der Ostsee, der Schärengarten vor der Tür, noch ein bisschen unterhalb des Polarkreises, aber fast schon mit Mitternachtssonne, und in der dunkleren Jahreszeit Polarlicht. Und 10 000 Jahre nach dem Abschmelzen des dicken Eispanzers hebt sich das Land immer noch jedes Jahr mit ein paar Millimetern aus dem Erdmantel heraus.
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Mehr zu Haparanda und Tornio gibt es auch hier: Haparanda-Tornio: Vom Leben am Nordzipfel der Ostsee
Sommer in Tornio und Haparanda: Fast Mitternachtssonne
Klima: Warme Sommer, kann auch mal mehr als 25 Grad werden. Die Durchschnittstemperatur im Juli beträgt 16,5 Grad. Man sollte also Sommergarderobe mitnehmen – aber nicht nur. Die Wassertemperatur reicht im Hochsommer zum Baden. Sehr kalte Winter, es kann auch mal -25 Grad werden. Das Eis ist in der Regel mindestens bis Ostern begehbar und liegt bis Anfang Mai.
Lichtverhältnisse: Haparanda und Tornio liegen zwar noch südlich des Polarkreises, aber schon so nah, dass echte Mitternachtssonne zu Mittsommer am 21. Juni nur noch eine Frage des richtigen Aussichtspunktes ist. Gerüchteweise soll man sie sogar schon aus dem Turmfenster der alten Holzkirche in Tornio sehen können. Der Berg Aavasaksa auf der finnischen und Luppioberget auf der schwedischen Seite des Torne-Flusses ein Stück weiter nördlich sind in jedem Fall hoch genug. Dort finden auch jedes Jahr „Midsommar“ – bzw „Juhannus“ – Feiern statt. Um die Mittsommerzeit ist es die ganze Nacht hell. Richtig dunkel wird es nachts schon ab Mitte Mai nicht mehr. Eine Sonnenbrille gehört unbedingt ins Gepäck.
Von Ende August bis Anfang April hat man die Chance auf Polarlicht. Zur Wintersonnwende (21. Dezember) zeigt sich die Sonne nicht einmal drei Stunden lang und nur knapp über dem Horizont.
Ausrüstung: In Haparanda gibt es Outletcenter mehrerer namhafter Outdoor-Hersteller: Haglöfs, Fjällräven, Naturkompaniet und Peak Performance. In Tornio gibt es eine Intersport-Filiale.
Falls man die Temperaturen falsch eingeschätzt hat und nicht viel Geld ausgeben möchte: Die Pfingstmission (PMU) betreibt in Haparanda, einen Second-Hand-Laden für Alltagskleidung (Västra Esplanaden 45).
Zum ersten Mal in Tornio und Haparanda
Soll man zuerst nach Tornio oder nach Haparanda oder? Jede Stadt hat ihren eigenen Stadtkern – der von Haparanda liegt am westlichen Ufer des Torne-Flusses, der von Tornio auf der Insel Suensaari im Fluss. Dort ist auch das historische Zentrum der 1621 vom schwedischen König als „Torneå“ gegründeten Stadt.
Als Schweden 1809 den Krieg gegen Russland verlor, fiel Finnland an Russland. Die Grenze zwischen den Ländern wurde in der Flussmitte gezogen – nur nicht an dieser Stelle. Dort wurde die Grenze in den westlichen, schmaleren Nebenarm verlegt. Und damit wurde aus der schwedischen Handelsstadt eine im russischen Zarenreich. 1917 reiste Lenin aus Deutschland mit der Bahn über Haparanda und Tornio nach Russland, und die Revolution nahm ihren Lauf. In diesem Zuge erklärte sich das Großherzogtum Finnland einige Monate später, am 6. Dezember 1917, für unabhängig.
Auf der Grenze
Man kann den ersten Rundgang direkt an der Grenze beginnen, auf dem Victoriaplatz, und von dort aus eine Schleife in jedes Land gehen. Wer mit dem Bus aus Schweden oder Finnland kommt, hat es nur 100 Meter vom gemeinsamen Reisezentrum aus. Wer mit dem Auto kommt, findet meist einen Parkplatz an der Länsiranta auf der finnischen Seite mit Parkscheibe, gegenüber dem Einkaufszentrum, das „Auf der Grenze“ heißt – finnisch „rajalla“, schwedisch „på gränsen“.
Der Victoriaplatz selbst ist liebevoll und durchdacht gestaltet, mit einem Brunnen auf der Grenze, den man an vielen Stellen auf Trittsteinen queren kann. Er symbolisiert den Fluss, der darunter im Rohr verläuft. Die Skulpur „Durch die Zeiten“ von Susanna Sivonen ist ein Geschenk der Stadt Haparanda und Norrbotten zum 100. Geburtstag Finnlands als selbstständiges Land 2017. Sie steht mit einem Fuß auf jeder Seite der Grenze. Dass in Finnland ein Frauen- und in Schweden ein Männerfuß steht, hat seinen Grund: Die finnischen Frauen heirateten oft schwedische Männer.
Der Bogen, der sich ebenfalls über die Grenze schwingt, trägt die Farben des Torne-Tals (Tornedalen/Tornionlaakso) , Gelb, Blau und Weiß. Der Fluss verbindet mehr, als er trennt, welche Entscheidungen die Politik auch fällt.
Inzwischen steht unter dem dreifarbigen Bogen auch ein Herz, in dem man sich auf der Grenze samt Ortsangabe verewigen kann.
Rechts und Links des Victoriaplatzes ist es weniger hübsch: Auf der finnischen Seite das besagte Einkaufszentrum, in dem man aber immerhin kostenlose Toiletten und diverse gastronomische Angebote inklusive WLAN findet. Auf der schwedischen Seite befindet sich „Gropen“, ein wassergefülltes Loch. Mit etwas Phantasie erkennt man das Multifunktionszentrum samt Hotel und Eishalle, das ein findiger Unternehmer dort errichten wollte – es blieb ein Luftschloss.
Vom Victoriaplatz kann man unter der Hauptstraße durch „nach Schweden“ gehen. Oder direkt nach „Finnland“.
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- Zur Tornio-Runde
Haparanda/Tornio: Anreise und Übernachtung
Mehr Sehenswertes in Tornio und Haparanda:
Tornios alte Holzkirche von 1686
Das älteste Gebäude der Stadt Tornio ist die historische Holzkirche von 1686, eine der ältesten und wertvollsten Holzkirchen in Finnland überhaupt. Angeblich kann man aus ihrem Turmfenster sogar die Mitternachtssonne sehen. „Wäre die Wolke nicht gekommen, so hätten wir die Sonne die ganze Nacht gesehen, denn hinter dem Horizont war sie nicht“, notierte Karl der XI von Schweden, der es dort 1694 versucht haben soll. Ein weiterer prominenter Besucher war der Franzose Pierre Maupertuis 1736. Er nutzte den Kirchturm als einen Punkt zur Vermessung der Erdkrümmung. Ihm ist der Park auf der gegenüberliegenden Straßenseite gewidmet.
Der älteste Teil der großen Steinkirche von Alatornio auf einer Landspitze im Fluss wurde 1797 gebaut. Diese nutzte später Friedrich Georg Wilhelm von Struve für seine Vermessung der Erdkrümmung.
Tornionlaakson museo (Tornetal-Museum )
Dieses äußerst empfehlenswerte Museum in der Torikatu vermittelt die Geschichte Tornios, lange die nördlichste Stadt überhaupt, und des Tornetals (schwedisch Tornedalen, finnisch Tornionlaakso). Politik, Sprache, Kultur, die postglaziale Landhebung und Struves Meridianbogen – das ganze Paket.
Gleich nebenan befindet sich Aines Kunstmuseum.
Bahnhof von Haparanda
Der Bahnhof von Haparanda wurde 1917/1918 erbaut, als man davon ausging, dass dort künftig große Warenströme abgewickelt würden. So ist es nicht gekommen, für seine aktuelle Nutzung ist er völlig überdimensioniert. Die Besonderheit: Es lässt sich von der einen Seite über die europäische Standard-Spurbreite anfahren und von Finnland aus über das breitere Gleis – Finnlands Bahnnetz stammt aus der russischen Zeit. In den 1990er Jahren wurde der Personenverkehr zwischen Schweden und Finnland jedoch eingestellt, und es fuhr gar kein Personenzug mehr dorthin. Inzwischen ist die Strecke Boden – Haparanda jedoch modernisiert worden, und seit 2021 gibt es wieder eine Zugverbindung Luleå-Boden-Haparanda. Finnland arbeitet noch an der Elektrifizierung der letzten Kilometer von der Brücke bis zum Stammnetz.
Der Bahnhof wurde auch innen restauriert und soll ein eisenbahnhistorisches Museum und Kulturhaus werden. Es lohnt sich, einen Blick hinein zu werfen.
Kirche von Haparanda
Die Kirche von Haparanda ist definitiv keine klassische Schönheit und wurde schon mal zum hässlichsten Gebäude Nordschwedens gewählt. Sie wurde 1967 eingeweiht und ersetzte die alte Kirche, die abgebrannt war. Der Entwurf stammt vom Architekten Bengt Larsson.
Golfplatz
Golf-Liebhaber sollten sich die Chance nicht entgehen lassen, auf diesem Platz zu spielen, denn er liegt sowohl in Finnland als auch in Schweden. Wo sonst kann man einen Schlag tun, der eine Stunde dauert? Für alle anderen sind zumindest die Grenzschilder interessant. Das informativste steht in der Straße Näräntie beim Golfclub-Parkplatz. Der Golfplatz liegt an einer Stelle, wo die Grenze zwischen den beiden Ländern aufgrund der Landhebung immer mehr verlandet. Man kann auch um den Golfplatz herumgehen, muss dann aber auf der schwedischen Seite ein Stück an der Straße entlang gehen.
Weitere Impressionen aus Haparanda und Tornio
Ausflusgziele im Umkreis von Tornio und Haparanda
Stromschnellen bei Kukkola, Schärengarten, Berg Aavasaksa, Eiskunst in Kemi:
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Weiterführende Internetseiten:
Stand 5.5. 2024
Andrea Seliger
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