Spitzbergen (Norwegen). Spitzbergens Gletscher schmelzen – aber nicht nur von oben durch höhere Lufttemperaturen. Das zeigen nun Forschungsergebnisse des Norwegischen Polarinstituts zur Eiskappe Austfonna auf Nordaustlandet. Bei Gletscherarmen, die im Meer enden, spielt auch das wärmere Wasser eine Rolle. Deshalb verlieren sie noch im Herbst Masse, obwohl es dann eigentlich schon wieder kälter ist. Die Studie wurde in Nature Communications veröffentlicht.

Veränderungen der Gletscherfronten am Austfonna. Storisstraumen fließt am schnellsten. Quelle Foss, Ø., Maton, J., Moholdt, G. et al. , Ocean warming drives immediate mass loss from calving glaciers in the high Arctic, in Nature Communications, CC BY 4.0
Dass die Temperaturen auf Spitzbergen steigen, ist bekannt – auch der Sommer 2024 war rekordwarm. Das ließ die Gletscher enorm schrumpfen. Nicht so bekannt war bisher, dass der Masseverlust auch dann noch weitergeht, wenn die Temperaturen schon wieder gesunken sind. Denn das Meer speichert die Wärme länger und ist im Herbst am wärmsten. Und das Meer um Spitzbergen ändert sich: Das Eis liegt kürzer, und statt einer kalten „arktischen“ oberen Wasserschicht erreicht warmes „atlantisches“ Wasser die Gletscher. „Unsere Studie zeigt, dass die stärksten Treiber für das Abschmelzen und Kalben der Gletscherfront von Austfonna die Oberflächenerwärmung des Meeres und der Zufluss von warmem Atlantikwasser sind“, zitiert die Website des Norwegischen Polarinstituts Hauptautor Øyvind Foss.
Verlust von bis zu 15 Meter Gletscherfront täglich – im Herbst
Austfonna ist die größte Eiskappe der ganzen Inselgruppe, bedeckt gut die Hälfte der Insel Nordaustlandet und fließt in mehreren Gletscherarmen ins Meer. Storisstraumen ist der größte und aktivste dieser Auslassgletscher. In der Studie wird beschrieben, wie dieser 100 Meter dicke Gletscher im Herbst 2018 und im Herbst 2022 einen Monat lang täglich 15 Meter Gletscherfront verlor. Der Masseverlust aus kleineren Gletscher wie Austfonna trägt insgesamt mit 20 Prozent zur Erhöhung des Meeresspiegels bei.
Wichtige Daten von Instrumentenrigg im Meer
Die Messdaten dazu kommen aus verschiedenen Quellen – von persönlich vor Ort gesammelten Messdaten bis zu Satellitendaten. Entscheidend, um die Zusammenhänge zu verstehen, war ein Instrumentenrigg im Meer vor Nordaustlandet, das dort vier Jahre lang die Wassertemperatur in verschiedenen Tiefen maß. Auf der Zeitschiene wird der Zusammenhang am Beispiel des Storisstraumen deutlich: Das Schmelzen der Gletscheroberfläche über Schmelzwasserbäche korreliert mit der Lufttemperatur im Sommer, die auf der nahen Messstation Kvitøya gemessen wird.
Der größere Masseverlust entsteht jedoch durch Kalben an der Gletscherfront später im Jahr, was mit den gemessenen Wassertemperaturen korreliert. Dieses saisonale Muster gilt nach Ansicht der Forscher auch für andere Auslassgletscher an der Ost- und Nordseite von Austfonna, aber auch für Gletscher weiter östlich in der Barentssee, auf Franz-Josef-Land und Nowaja Semlja.
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