Spiralenkampagne: 143 Frauen klagen auf Entschädigung

Grönland/Dänemark. 143 grönländische Frauen wollen nicht länger warten: Sie haben  Klage gegen den dänischen Staat eingereicht und verlangen insgesamt 43 Millionen DKK Entschädigung dafür, dass ihnen in ihrer Jugend zwangsweise die Spirale eingesetzt wurde. Viele hatten dadurch bleibende gesundheitliche Schäden und konnten später keine Kinder mehr bekommen. Darüber berichtete KNR.

Dorf

Familienleben in Grönland – nicht für alle. Foto Thomas Christiansen

Eine dänische Podcast-Serie deckte im Mai 2022 ein weiteres dunkles Kapitel der dänisch-grönländischen Geschichte auf: die Spiralenkampagne. Zu Wort kamen dort Frauen, die erstmals offen darüber berichteten, was ihnen in ihrer Jugend in den 1960er und 70er Jahren in Grönland passiert war, und wie dies ihr weiteres Leben zerstört hatte. Die damaligen Spiralenmodelle waren für erwachsene Frauen geeignet, die schon Kinder hatten und keine mehr wollten, nicht für minderjährige Mädchen, die teilweise noch nicht einmal sexuell aktiv waren. Die Absicht hinter dieser Kampagne war damals, weitere uneheliche Geburten zu verhindern. Wie genau es dazu kommen konnte, untersucht seit Mai 2023 im Auftrag der grönländischen und der dänischen Regierung eine Gruppe Forscher sowohl der grönländischen Universität Ilisimatusarfik als auch der Universitäten Kopenhagen und Süddänemark.

„Die ältesten von uns sind über 80, deshalb können wir nicht länger warten“

Doch wissenschaftliche Ergebnisse allein nützen den Frauen nicht viel. „Die ältesten von uns sind über 80 Jahre, und deshalb können wir nicht länger warten. Noch zu unseren Lebzeiten wollen wir gerne unsere Selbstachtung und den Respekt vor unserer Gebärmutter zurückgewinnen. Es ist nicht irgendeine Regierung, die darüber bestimmen soll, ob wir Kinder haben sollen oder nicht“,  zitiert KNR Naja Lyberth, die als erste mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen war. Der Anwalt der Frauen, Mads Pramming, bezeichnet die damalige Praxis als Menschenrechtsverletzung.

Frederiksens Versprechen

Die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen hatte den Frauen persönlich in Grönland versprochen, sie werde sie nicht vergessen. Doch abgesehen vom Start der Forschergruppe ist nicht viel passiert. Bereits im Herbst forderten deshalb 67 Frauen explizit Entschädigung vom dänischen Staat, 300 000 DKK pro Person (rund 40 000 Euro). Doch nichts passierte. Nun hat sich die Zahl der Frauen, die das fordern, verdoppelt, und ein Gericht muss sich damit befassen.

Auch die Experimentkinder mussten lange warten

Die Summe liegt etwas über dem, was die „Experimentkinder“ als Entschädigung erhalten haben. Diese 22 Kinder waren auf halblegale Weise nach Dänemark geschickt worden, und hatten sich ihrer Familie und Sprache entfremdet. Für viele ging es nicht gut aus. Auch in dieser Geschichte dauerte es sehr lange, bis sie überhaupt bekannt wurde, und vom Bekanntwerden bis zur Entschädigung. Mette Frederiksen hatte sich 2020 bei den sechs noch lebenden Opfern entschuldigt. Die Entschädigung kam aber erst 2022 – nachdem Anwalt Pramming diese vor Gericht eingefordert hatte.

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