Norwegen. Bahnfahren bis Tromsø soll möglich werden – dafür hat gestern die Mehrheit des norwegischen Parlamentes gestimmt. Und zwar die gesammelte Opposition gegen Erna Solbergs Minderheitsregierung. Ob die „Nord-Norgebanen“ aber wirklich kommt, ist trotzdem ungewiss. Denn dazu müsste auch Geld dafür bereitgestellt werden.
Das norwegische Bahnnetz endet heute am Polarkreis, in Bodø. Das nördlich davon liegende Narvik hat zwar auch einen Bahnhof, dieser ist per Schiene aber nur über Schweden zu erreichen. Das Gleis wurde vor mehr als 100 Jahren für den Transport des Erzes aus dem schwedischen Kiruna zum eisfreien Hafen Narvik gelegt. Wer innerhalb Norwegens mit der Bahn unterwegs sein will, für den ist in Bodø Schluss. Weiter nördlich geht es nur mit dem Überlandbus, dem Schiff oder mit dem Flugzeug.
Pläne für eine Fortführung des Bahnnetzes gab es immer wieder. Die Nord-Norgebanen soll bei Fauske an das bestehende Gleis anschließen und bis Tromsø geführt werden. Erst vor kurzem wurde eine aktualisierte Kostenberechnung dazu erstellt. Der Neubau einer Bahn ist immer teuer, die norwegische Topografie macht es noch schwieriger. Die 375 Kilometer würden voraussichtlich 113 Milliarden norwegische Kronen kosten, umgerechnet etwa 11,2 Milliarden Euro. Bisher gab es dafür keine politische Mehrheit. Doch die Arbeiderpartiet (Ap) als größte einzelne Fraktion hat ihre Meinung geändert und schloss sich einem Vorschlag an, der von drei sehr unterschiedlichsten Oppositionsparteien stammt: Senterpartiet (Sp), Sosialistisk Venstreparti (SV) und Solbergs ehemaliger Koalitionspartnerin, der rechten Fremskrittspartiet (Frp). Auch die Umweltpartei (Miljøpartiet De Grønne, MDG) und Rødt stimmten für den Antrag, die Regierung möge „mit der Umsetzung der Nord-Norgebanen beginnen“. Mit 56 zu 30 Stimmen bekam die Bahn eine breite Mehrheit.
Pro und contra Nordnorwegenbahn
Gründe für die Bahn gibt es viele: Sie wäre ein umweltfreundliches Verkehrsmittel, das die Zentren des Nordens schneller verbinden könnte, als es über die Straße möglich ist. Güterverkehr auf der Schiene würde die Straße auch von LKW-Verkehr entlasten. Jeden Winter stehen auf den nordnorwegischen Straßen die LKW quer.
Verkehrsminister Knut Arild Hareide ist über den Beschluss wenig begeistert – andere Investitionen müssten darunter leiden, wenn nun alles Geld in das Bahnprojekt in Nordnorwegen gepumpt werde. Ein Berater des Finanzministeriums nannte das Vorhaben gegenüber NRK „Norwegens unwirtschaftlichstes Projekt“. Gegen solche Kritik wendet sich Nordlys-Redakteur Skalg Fjellheim in Tromsø: Es gebe in Norwegen nur zwei Bahnstrecken, die wirklich wirtschaftlich seien: die Ofotbahnen, also jene, die das Erz aus Schweden nach Narvik transportiert, und Flytoget, der Anschluss vom Flughafen Gardermoen nach Oslo. Er verweist auf Meinungsumfragen, die zeigen, dass die Mehrheit der Bevölkerung dafür sei, das Land per Eisenbahn zu verbinden. Dass es diese Mehrheit nun auch im Storting gab, ist für ihn „ein politisches Wunder“.
Nicht begeistert von den Plänen sind auch die Rentierhalter der Region. Bereits auf der Strecke nach Bodø kommt es häufig zu Unfällen. Dort wurden in den vergangenen Jahren mehr Schutzzäune aufgestellt. Die endgültige Trassenführung steht noch nicht fest – und es muss ja auch das Geld dafür zur Verfügung gestellt werden.
Mit einer Bahn nach Tromsø ist auch noch nicht ganz Nordnorwegen erschlossen: Von Tromsø nach Kirkenes sind es noch 430 Kilometer Luftlinie, über die Straße das Doppelte. Über diese Strecke wird nicht einmal geredet. Wahrscheinlicher ist, dass Kirkenes irgendwann an das finnische Eisenbahnnetz angeschlossen wird.
Früherer Artikel zum Thema: Schiene nach Tromsø: Nordnorgebanen nicht wirtschaftlich?