Norwegen/Schweden. Die Wikinger haben eine große Fangemeinde und es wird seit Jahrzehnten Forschung dazu betrieben. Gibt es da überhaupt noch etwas Neues herauszufinden? Ja, meint der Archäologe Greer Jarrett von der Universität Lund, und ist Segeln gegangen. Dabei ging es darum, herauszufinden, welche Orte als potenzielle Häfen für die Langstreckenreisen entlang der norwegischen Küste in Frage kamen. Denn darüber ist bisher vergleichweise wenig bekannt. Seine Studie dazu ist im Journal of Archaeological Method and Theory erschienen,auf Deutsch hat auch Scinexx darüber berichtet.

Eines von Greer Jarretts Testbooten. Screenshot aus dem Video der Universität Lund, Drohnenbild Benjamin Vilella
Jarrett testete die Segeleigenschaften von insgesamt sieben verschiedenen traditionellen norwegischen Booten und Nachbauten, die in zentralen Punkten den Wikingerschiffen ähnlich waren – flach und mit Rahsegel. Das größte davon war 13 Meter, das kleinste knapp 7 Meter lang. Ziel dieser Übung war, mehr über die Möglichkeiten der wikingzeitlichen Seefahrer zu lernen – zum Beispiel, wie gut die Schiffe sich gegen den Wind segeln ließen. Daraus wurden Kriterien entwickelt, wie potenzielle Häfen für Zwischenstopps oder Schutz bei schwerem Wetter gelegen sein müssten.
Häfen mussten einfach anzulaufen sein
Jarrett kam dabei zu dem Schluss, dass die Wikinger-Zwischenstopps nicht da lagen, wo heute Häfen sind, sondern eher weiter draußen, auf Halbinseln und kleinen Inseln, die einfach anzulaufen waren. Tief in einen Fjord zu fahren, sei aufgrund der Fallwinde ungünstig.
Jarretts Kriterien:
- Auch bei schlechter Sicht anhand von Landmarken gut erkennbar
- Groß genug für mehrere Schiffe der damaligen Zeit
- Gut erreichbar unter Segeln oder maximal zwei Seemeilen Rudern
- Im Bereich der überlieferten Hauptsegelroute entlang der norwegischen Küste
- Schutz vor Schwell und Sturm oder flacher Sandstrand
- Trinkwasser vorhanden
Postglaziale landhebung: Küstenlinie anders als heute
Dabei konnte Jarrett nicht davon ausgehen, dass damals alles so aussah wie heute: Die postglaziale Landhebung (Rebound-Effekt, nachdem der Eispanzer über Skandinavien die Erdkruste heruntergedrückt hatte) hat die norwegische Küstenlinie in den vergangenen 1000 Jahren verändert. Dazu rekonstruierte Jarrett die damaligen Wasserstände, wobei auch der Tidenhub berücksichtigt werden muss.
17 mögliche Häfen zwischen Bergen und den Lofoten
Anhand der Kriterien und Voraussetzungen listet Jarret schließlich 17 potenzielle wikingerzeitliche Häfen zwischen Bergen und den Lofoten auf. Für fünf davon gibt es bereits eine Bestätigung: Bjarkøya im Vågsfjorden, Steigbergvika auf Steigen, Torget im Torgfjorden, Edøya im Edøyfjorden sowie Avaldsnes im Karmsund. Jarrett schlägt noch vier weitere Ankerplätze vor, die dafür höchstwahrscheinlich genutzt wurden, wo aber ein letztendlicher archäologischer Beweis noch aussteht: Storfosna (Frohavet), Bjørnsund (Budadjupet), Fosnavåg/Sørøyane sowie Smørhamn (Frøysjøen).
„Maritime Weltsicht“
Die Segeltouren dienten Jarrett auch dazu, die Weltsicht der Wikinger zu verstehen, die sich fundamental von der heutigen unterscheide: Sie hätten in einer maritimen Welt gelebt, in der das Meer für jede Art von Bewegung zentral war, und ihre Perspektive auf das Land sei die vom Boot aus gewesen.
Während Greer Jarrett und seine Crew trotz Herausforderungen immer wieder heil ankamen, endete ein anderes Experiment im vergangenen Jahr unglücklich, und eine Archäologiestudentin starb auf der Reise von den Färöer nach Norwegen:
Wikingerschiff-Nachbau vor Norwegen gekentert – eine Person tot
Video der Universität Lund zu Greer Jarretts Projekt: