Northvolt: Antrag auf Rekonstruktion, Peter Carlssons Abgang

Skellefteå (Schweden). Ein neuer Akt im Northvolt-Drama hat begonnen: Northvolt hat in den USA um eine Rekonstruktion nach „Chapter 11“ ersucht und in dem Zuge neues Geld eingeworben. Am Tag danach ist Gründer Peter Carlsson als Geschäftsführer zurückgetreten. Damit soll der Weg frei gemacht werden für ein neues Kapitel, das das Unternehmen retten soll. Durch den Rekonstruktionsprozess geht Aktienbesitzern aber voraussichtlich der Großteil des Wertes verloren. Das betrifft auch VW und BMW.

Batteriefabrik von oben

Northvolt Ett in Skellefteå. Foto Northvolt

Die Rekonstruktion betrifft die Geschäftsteile in Schweden, den USA und Polen, nicht aber die Teile in Deutschland und Kanada, die eine eigene Finanzierung haben. Mit dem Schritt will sich Northvolt vor den Forderungen von Gläubigern schützen, während man das Unternehmen neu aufstellt. Im September hatten bereits 1600 Northvolt-Mitarbeiter in Schweden die Kündigung bekommen, die meisten davon am Standort der Fabrik in Skellefteå. Mehrere Geschäftsbereiche wurden geschlossen oder auf Eis gelegt.

Bessere Optionen für Northvolt mit US-Verfahren

Warum ersucht ein schwedisches Unternehmen in den USA um Rekonstruktion? Das beantwortet Dagens Industri ausführlich und SVT (im Clip) kurz und knapp. Vorteil dieser Verfahrensform ist, dass das Unternehmen selbst die Kontrolle behält und neue Investoren anwerben kann, die dann besondere Sicherheiten genießen. So hat nun LKW-Bauer Scania, der selbst größtes Interesse am Fortbestand Northvolts hat, weil er von dort inzwischen Batteriezellen bezieht, 100 Millionen Dollar verliehen. Außerdem darf das Unternehmen auf etwa 145 Millionen Dollar Barsicherheiten zugreifen. Im Rahmen dieses Verfahrens hat das Unternehmen nun vier Monate Zeit für eine Umstrukturierung, was verlängert werden kann. In dieser Zeit soll der Betrieb weitergehen wie gewöhnlich und auch die Löhne und Steuern sollen gezahlt werden.

Auch SAS hat dieses Verfahren genutzt

Laut Dagens Industri (DI) sind die Hürden für ein Rekonstruktionsverfahren in Schweden höher und wären für Northvolt in der jetzigen Situation möglicherweise gar nicht in Frage gekommen. Dann wäre nur noch der Konkurs geblieben. Um das amerikanische Verfahren in Anspruch nehmen zu dürfen, reicht es laut DI, wenn man dort einen Geschäftsteil oder eine Immobilie hat. Ein anderes prominentes Unternehmen, das das „Chapter 11“-Verfahren genutzt hat, ist die skandinavische Fluggesellschaft SAS.

Technische Herausforderungen der Batterieherstellung unterschätzt

Peter Carlsson. Foto Northvolt

Die Gründe für Northvolts Krise sind vielfältig. Hauptgrund ist, dass es nicht gelang, in der Fabrik in Skellefteå so schnell so viele Batteriezellen zu produzieren wie ursprünglich geplant. Offenbar wurden die technischen Herausforderungen dabei unterschätzt. So konnten Lieferzusagen nicht eingehalten werden und es kam kein Geld herein, während das Startkapital zur Neige ging und die Schulden wuchsen (laut Bloomberg 5,84 Milliarden Dollar). Und noch bevor der Betrieb in Skellefteå richtig in Gang war, hatte es schon Expansionspläne gegeben. Bis heute liefert die Fabrik nicht die Menge, die sie eigentlich sollte, aber es gibt Fortschritte. So wird Scania inzwischen beliefert.

Verluste für die Aktieninhaber und Gläubiger

Gründer und Geschäftsführer Peter Carlsson stand auch nach außen für die Idee eine Batteriefabrik in Europa und konnte dafür zunächst erfolgreich Geld einwerben. Frühere Aktienbesitzer gehören nun zu den Verlierern. Dazu gehören VW, BMW und Goldmann Sachs, aber auch der staatliche schwedische AP-Fonds und die Pensionsgesellschaft AMF. Auch die Gläubiger werden Verluste hinnehmen müssen – darunter der kommunale Energieversorger und diverse Zulieferer. Peter Carlsson sagte in seiner Abgangsrede, er übernehme die Verantwortung dafür, dass das Unternehmen in diese Situation geraten sei. Carlsson wird aber Mitglied des Aufsichsrats bleiben und als Berater zur Verfügung stehen. Die Leitung wird nun laut Pressemitteilung übergangsweise von Finanzchefin Pia Aaltonen-Forsell und Matthias Arleth, Chef des operativen Geschäfts, übernommen.

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