Island: Sommer-Eishöhlentourismus in der Kritik

Island. Nach dem Einsturz einer Eishöhle auf dem Breiðamerkurjökull, bei dem ein Tourist starb und seine Partnerin schwer verletzt wurde, ist auf Island die Diskussion um die Verantwortung rund um den Eishöhlentourismus entbrannt. Vor sieben Jahren war ein Besuch von Eishöhlen im Sommer noch gar kein Thema – nun sollen bis zu 200 Leute am Tag in der Höhle gewesen sein. Darüber berichteten RÚV , Iceland Monitor und Iceland Review.

Der Breðamerkurjökull ist ein Auslassgletscher des Vatnajökull. Karte sel/openstreetmap

Wer auf Island Gletschertouren anbietet, braucht dafür eine Genehmigung und muss auch ein Sicherheitskonzept einreichen. Das galt auch für den Anbieter der betroffenen Gruppe, Ice Pic Journeys, betrieben von zwei US-Amerikanern. Dass das Unternehmen nicht einmal die genaue Teilnehmerzahl liefern konnte und deshalb 200 Leute unter schwierigsten Verhältnissen per Hand im Eis nach Opfern suchten, die es gar nicht gab, lässt die Sicherheitskultur zumindest dieses Unternehmens aber nicht im besten Licht erscheinen.

Mehrere Gruppen vorher in derselben Höhle

Dass es ausgerechnet diese Gruppe getroffen hat, dürfte aber Zufall gewesen sein. Laut RÚV waren noch mindestens zwei andere Gruppen vorher in dieser Höhle, und ein Teilnehmer einer früheren Tour hatte RÚV auch Fotos der Höhle kurz vor dem Unglück  zur Verfügung gestellt. Laut einem erfahrenen Tourguide waren täglich 100 – 200 Leute in dieser Eishöhle.

Eishöhlenbesuch im Sommer „inakzeptabel“

Eishöhle

Eishöhle Skaftafell. Foto Pixabay

Neben der Verantwortung der Touranbieter ist auch der Eishöhlentourismus im Sommer an sich ins Scheinwerferlicht gerückt. Denn hier gab es innerhalb weniger Jahre eine Verschiebung: Während solche Touren früher nur im Winterhalbjahr angeboten wurden, wenn das Schmelzgeschehen beendet war, wurde dies immer weiter ausgedehnt. Dabei hatte erst 2017 das Institut für Geowissenschaften der Universität Island ein Gutachten für den Nationalpark Vatnajökull zum Thema Eishöhlen erstellt. Geophysiker Magnús Tumi Guðmundsson, einer der Wissenschaftler, die dazu beigetragen haben, sagte zu RÚV, man habe Kriterien für die Gefährlichkeit von Eishöhlen entwickelt. Damals habe man einen Eishöhlenbesuch im Sommer für „inakzeptabel“ gehalten. Dasselbe sagte Glaziologe Helgi Björnsson gegenüber Morgunblaðið/ Iceland Monitor.

Nur eine Frage der Zeit?

Der eine von RÚV interviewte Guide ist anderer Meinung, allerdings müsse man die Situation im Sommer immer wieder neu bewerten. Ein anderer, der auch beim Rettungseinsatz dabei war, bietet selbst keine Eishöhlentouren im Sommer an – seiner Meinung nach sei es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis etwas passierte, und es hätte auch noch schlimmer ausgehen können.

Konkurrenzkampf der Anbieter im Eishöhlentourismus

Auf einen anderen Aspekt des Konkurrenzkampfs um die Eishöhlenkunden macht Iceland Review aufmerksam: Der Gletscher und die Eishöhle sind zwar Teil des Nationalparks und damit in staatlicher Hand. Einige Anbieter haben jedoch zur Sicherheit und Bequemlichkeit ihrer Gäste Infrastruktur wie Bohlen als Brücken und Seilführungen gebaut – und nun gibt es Streit darum, wenn andere Gruppen diese auch nutzen wollen. Davon zeugt ein Video, das drei Vorfälle dokumentiert, der Streit findet auf Englisch statt. 

Diverse Minister rufen nun nach mehr Kontrollen bzw. danach, die vorhandenen Kontrollmöglichkeiten auszuüben. Nach Veränderung rufen auch Vertreter der Rettungskräfte und des Nationalparks: Touristen müssten sich darauf verlassen können, dass ihre Sicherheit an erster Stelle stehe.

Nachtrag zum erwähnten Gutachten von 2017:

  • Wie der frühere Vorsitzende des Nationalparks Vatnajökull gegenüber RÚV betonte, sei in dem genannten Gutachten von 2017 nicht explizit vor Eishöhlen im Sommer gewarnt worden – weil das damals für niemanden aktuell war. Damals galt der Besuch von Eishöhlen als Winteraktivität.
  • Ein Guide verwies außerdem gegenüber mbl.is darauf, dass es sich bei den im Sommer besuchten Eishöhlen um solche handele, die von den Tourgesellschaften erst zugänglich gemacht würden – ein anderer Typ Eishöhlen als diejenigen, denen 2017 die Untersuchung galt. 

Früherer Artikel zum Thema: Eishöhle auf Island eingestürzt – eine Person tot

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