Alarme ignoriert: Warum die Marco Polo 2023 auf Grund lief

Schweden. Am 22. Oktober 2023 lief die Autofähre Marco Polo in der Hanöbucht vor Südschweden auf Grund. Wie konnte es dazu kommen? Der Abschlussbericht der schwedischen Havariekommission dazu wurde gestern veröffentlicht. Neben der bereits kurz danach berichteten Ursache – ein GPS-Defekt – enthält er noch weitere Details, unter anderem, wie die Alarmmeldungen auf der Brücke ignoriert wurden. Bei dem Unglück liefen rund 60 000 Liter Schweröl aus, und Tausende Vögel starben.

Fähre Marco Polo

Fähre Marco Polo auf Grund. Foto Kustbevakningen

Die Fähre Marco Polo der TT-Line war nachts auf dem Weg von Trelleborg nach Karlshamn an der schwedischen Südküste unterwegs gewesen. Das Wetter war ruhig und neblig. Um 2 Uhr nachts trat ein Problem mit einem GPS-Empfänger auf. Das habe zu mehreren Alarmsignalen auf der Brücke geführt, heißt es im Bericht der Havariekommission. Der noch wachhabende zweite Steuermann soll den Alarm wahrgenommen haben, aber nicht beunruhigt gewesen sein, da der zweite GPS-Empfänger funktioniert habe und zeitweilige Ausfälle auch schon früher vorgekommen seien. Es erfolgte ein Wachwechsel, und der scheidende Steuermann soll davon ausgegangen sein, dass seine Ablösung schon wisse, wie man das Signal wiederherstelle, wenn dies nicht automatisch geschehe.

Alarme auf der Brücke ohne Folgen

Danach soll es weitere Alarme auf der Brücke gegeben haben. Ein Matrose bemerkte auch den Ausfall des X-Band-Radars und informierte den nun wachhabenden dritten Steuermann. Dieser soll aber keine Probleme mit den Positionssystemen wahrgenommen haben, die er überwachte, und er soll davon ausgegangen sein, dass das Problem nur das X-Band-Radar betraf. Die Alarme wurden jeweils quittiert, ohne dass daraus Aktionen folgten.

Zwischen 2 Uhr und 3 Uhr hatte sich das Schiff im Verkehrstrennungsgebiet zwischen dem schwedischen Festland und Bornholm befunden und war auf dem beabsichtigten Kurs. Danach wurde der Kurs Richtung Karlshamn geändert. Der Kurs sollte eigentlich östlich um die Insel Hanö herumführen.

Hanö westlich passiert, ohne dass es auffiel

Mangels GPS-Input hatte das Navigationssystem auf Koppelnavigation umgeschaltet, das heißt, der Kurs wurde nur berechnet und nicht mit tatsächlichen Werten abgeglichen. Aufgrund der Abdrift wich die Marco Polo aber immer weiter vom geplanten Kurs ab und passierte Hanö im Dunkeln sogar auf der westlichen Seite, offenbar ohne dass es auffiel.

Grundberührung nicht als solche interpretiert

Ölbeseitigung am Strand

Ölbeseitigung am Strand. Foto Kustbevakningen

Es folgte die erste Grundberührung um 5.13 Uhr, die aber von der Besatzung nicht als solche wahrgenommen wurde, wie es in dem Bericht heißt. Nach dem elektronischen Kartenbild folgte das Schiff schließlich der ursprünglich geplanten Route. Das S-Band-Radar soll allerdings den Hinweis auf „Dead Reckoned“, das heißt gekoppelt, gezeigt haben. Aufgrund der Erschütterung der ersten Grundberührung begab sich auch der Kapitän auf die Brücke. Kurz danach, um 5.24 Uhr, lief das Schiff endgültig auf Grund und saß fest. Allerdings war das der Besatzung nicht bewusst, die davon ausging, sich auf 30 Meter tiefem Wasser zu befinden. Man ging von einem Problem mit dem Vortrieb aus, und dass man möglicherweise gegen etwas gestoßen sei. Die Besatzung hatte auch wahrgenommen, dass etwas ausgelaufen war. Zunächst wurde die Reederei kontaktiert, die Unterstützung von Land organisieren sollte.

Havarie erst eine Stunde später gemeldet

Erst eine Stunde später informierte der Kapitän den Maritime Assistance Service, zuständig für Fälle, die zwar Hilfe benötigen, wo aber nicht in unmittelbarer Gefahr droht – auch darüber, das etwas auslief, zu dem Zeitpunkt noch unklar, was. Dem zuständigen Operateur des schwedischen JRCC (Joint Rescue Coordination Centre) fiel die Diskrepanz zwischen der gemeldeten Position und der AIS-Signalspur auf, die er vor sich sah. Das AIS zeigte das Schiff korrekterweise im flachen Wasser. Erst nach einem erneuten Hinweis wurde auch an Bord klar, dass das Schiff nicht etwa in tiefem Wasser trieb, sondern festsaß. Alle Passagiere wurden evakuiert, ein paar Tage später wurde auch das Schiff in den Hafen geschleppt.

Der betroffene Küstenabschnitt, die Pukaviksbucht, ist sehr umfassend saniert worden, wie SVT berichtet. Doch Land und Wasser müssen weiterhin überwacht werden. Unter anderem hat man festgestellt, dass die Miesmuscheln einen enorm hohen Giftgehalt haben.

Vollständiger Bericht der Havariekommission

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Video der Havariekommission:

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Eine Antwort zu Alarme ignoriert: Warum die Marco Polo 2023 auf Grund lief

  1. Svendura sagt:

    Danke für die verständliche und sorgfältige Berichterstattung. Das ist interessant und beunruhigend zugleich. Ich bin mehrmals pro Jahr mit Fähren in und um Skandinavien unterwegs und bin einigermaßen erschüttert über den Mangel an Professionalität, der aus dem Bericht herauszulesen ist. Meine Güte…

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