Spiralenkampagne: Frederiksens Entschuldigung in Nuuk

Nuuk (Grönland). Schriftlich hatte sie es schon im August getan – gestern war die dänische Premierministerin Mette Frederiksen nun in Grönland, um sich persönlich bei den Opfern der Spiralenkampagne im Namen Dänemarks zu entschuldigen. Zuvor hatte sie außerdem die Gründung eines Fonds in Aussicht gestellt, aus dem Entschädigungen gezahlt werden sollten. Darüber berichteten KNR und  Sermitsiaq.

Dänemark und Grönland. Grafik sel mit OpenEmoji/Creazilla, CC BY 4.0

Entschuldigung für das Unrecht, das euch angetan wurde. Weil ihr Grönländerinnen wart. 

Entschuldigung für das, was euch genommen wurde. Und für den Schmerz, den das verursacht hat.

Die Realität war, dass die Gesellschaft, die euch schützen sollte, euch Unrecht getan hat.

Im Namen Dänemarks – Entschuldigung

Mette Frederiksen Foto Statsministeriet DK

So lautete es von Mette Fredriksen (zitiert nach KNR) gestern im Veranstaltungszentrum Katuaq in Nuuk, gerichtet an die von der Spiralenkampagne betroffenen Frauen, von denen einige anwesend waren. Zu den Vorfällen liegt inzwischen eine unabhängige Untersuchung vor, die die Fälle von 1960-1991 behandelt. Auch der grönländische Premier Jens-Frederik Nielsen wiederholte noch einmal seine Entschuldigung gegenüber denjenigen, die es noch nach der Übernahme des Gesundheitsressorts in Grönland 1992 getroffen hatte. 

Ein Podcast, der in der dänisch-grönländischen Geschichte grub

Die Diskussion um die Spiralenkampagne, in den Medien auch als „Spiralensache“ oder „Spiralenskandal“ bezeichnet, war mit einer Podcast-Serie des dänischen Radios 2022 richtig ins Rollen geraten. Es war das erste Mal, dass ein breites Publikum etwas darüber hörte, wie Ende der 1960er Jahre 4500 Grönländerinnen eine Spirale bekamen – darunter nicht nur erwachsene Frauen mit bereits erfülltem Kinderwunsch, sondern auch junge Mädchen, für die das genutzte Spiralenmodell überhaupt nicht geeignet war. Information vorab gab es nicht, Ablehnung war nicht möglich, über die Schmerzen konnte man nicht sprechen.  Viele trugen lebenslange Schäden davon. Von den 143 Frauen, die inzwischen den dänischen Staat auf Entschädigung verklagt haben, konnte ein Drittel später im Leben keine Kinder bekommen. 

Als zwei Frauen nach Jahrzehnten das Schweigen brachen

Anstoß für die Podcast-Serie gab allerdings ein ein Jahr zuvor erschienener Artikel in der grönländischen Zeitschrift Arnanut, in dem Naja Lyberth und Maria Nielsen erstmals öffentlich darüber sprechen, was ihnen als 14-Jährige passiert war und worüber sie wie auch die Leidensgenossinnen Jahrzehnte aus Scham geschwiegen hatten. Sermitsiaq hat den Artikel aus aktuellem Anlass noch einmal veröffentlicht. 

Spiralenkampagne gegen nichteheliche Kinder 

In den 1960er Jahren war die Gesundheitspolitik in Grönland noch komplett von Dänemark gesteuert. Damals stieg die Bevölkerungszahl und die der nichtehelich geborenen Kinder. Die Spiralenkampagne wurde als Maßnahme der Familienplanung und zur Begrenzung des Bevölkerungswachstums lanciert. Die betroffenen 4500 Frauen waren damals die Hälfte der Frauen in Grönland im gebährfähigen Alter – kein Wunder also, dass die Zahl der Geburten danach deutlich sank. Die meisten Fälle gab es zwischen 1966 bis 1970, aber auch noch spätere. 15 geschahen sogar noch nach 1992, als Grönland schon das Gesundheitsressort übernommen hatte. 

Ein Versöhnungsfonds gegen Ungerechtigkeit?

143 Frauen haben den dänischen Staat verklagt und fordert eine Entschädigung. Frederiksen hatte nun die Idee eines „Versöhnungsfonds“ für vom (dänischen) Staat ungerecht behandelte Grönländer aufgeworfen. Die Details dazu stehen allerdings noch nicht fest.

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