Norwegen/Schweden. Was in den Alpen die Almwirtschaft ist, ist in Skandinavien die Seter- bzw. Fäbodkultur. Seter oder auch Støl sagt man in Norwegen, Fäbod in Schweden. Zwar schrumpft die Zahl der Leute, die diese Form des naturnahen Wirtschaftens noch praktizieren, doch einige Hundert halten sie am Leben und geben ihr Wissen weiter. Gestern wurde die Seter-/Fäbod-Kultur auf die Unseco-Liste für immaterielles Kulturerbe aufgenommen.
Das Prinzip im Norden wie im Süden: Um auch das Gras an abgelegeneren oder schwer zugänglichen Orten optimal zu verwerten, verlegt man seinen Hausstand samt Vieh – oder zumindest einen Teil davon – dorthin. In der Vergangenheit war es einfach eine Notwendigkeit, alle Möglichkeiten zu nutzen, um zu überleben. Die Kühe, Schafe oder Ziegen können dort selbst grasen und ein gutes Leben führen. Für die Menschen – meist waren es die Frauen, die diese Aufgabe übernahmen – , bedeutete die Zeit an diesem meist sehr einfachen „Sommerwohnsitz“ Arbeit: Das Milchvieh muss weiterhin gemolken, die Milch verarbeitet werden, zum Beispiel zu Käse.
Der Milchwagen kommt zum Seter
In Norwegen sind Molkereien verpflichtet, auch vom Seter Milch abzuholen, sofern eine entsprechende Straße vorhanden ist. Dort sind sind noch rund 750 Seter in Betrieb, und 83 Prozent nutzen diese Option. 15 Prozent verarbeiten die Milch vor Ort, insbesondere jene, zu denen kein Milchauto kommen kann. Mehr als die Hälfte der aktiven Betriebe liegt laut NRK in der Provinz Innlandet, außerdem im Trøndelag, Vestland und Austland sowie ein kleinerer Teil in Nordnorwegen.
In Schweden nutzen etwa 250 Betriebe eine „Fäbod“, vor allem in Värmland, Dalarna, Gästrikland, Hälsingland, Härjedalen und Jämtland. Es gibt aber auch welche in Uppland, Medelpad, Ångermanland, Västerbotten und Norrbotten. Nicht alle schwedischen Fäbodar haben Milchwirtschaft, aber einige davon betreiben laut SVT-Interview immer noch die traditionelle Käseherstellung.
Lokale Lebensmittelproduktion mit geringem technologischen Aufwand
Welchen Sinn macht diese Wirtschaftsform heute noch, in Zeiten einer äußerst effektiven, technologisierten Landwirtschaft? Ein zentrales Argument der Antragsteller für die Aufnahme auf die Liste war, dass es sich hier um ein nützliches Wissen handelt, das lokale Lebensmittelproduktion mit geringem technologischen Aufwand ermöglicht. Dieses Wissen bedeutet eine Ressource und eine Resilienz, nicht zuletzt angesichts des Klimawandels. Manche Betriebe vermitteln dieses Wissen auch an Besucher weiter.
Ein hilfreicher Nebeneffekt ist dabei, dass das grasende Vieh die Verbuschung aufhält und für Arten eine ökologische Nische schafft bzw. erhält, die auf diesen offenen Landschaftstyp angewiesen ist. In den hohen Breiten fördert Verbuschung auch eher den Klimawandel, als dagegenzuwirken. So reflektiert eine glatte, weiße Schneefläche die Sonnenstrahlen besser als eine von Gewächsen unterbrochene.
Von der Listung als immaterielles Kulturerbe erhoffen sich die noch Aktiven mehr Aufmerksamkeit für ihre Tätigkeit – und gerne auch mehr junge Leute, die die Tradition übernehmen.
Das Video zur Bewerbung:
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