Gastbeitrag: Die große Freiheit – Husky-Touren im hohen Norden

Husky-Touren sind zu Recht eine der beliebtesten Winteraktivitäten unter Touristen in Finnisch Lappland. Mit zunehmender Popularität aber zeigen sich die Kehrseiten dieser Millionenindustrie: Unternehmen entwickeln viel Kreativität, um die Betriebskosten zu drücken und sich günstige Arbeitskräfte zu sichern. Ein Überblick von Gastautor Jan Denks.

Wildnisabenteuer … Foto Jan Denks

Praktisch alle Huskyfarmen werben mit dem hohen ethischen Standard ihrer Tierhaltung. Die Wirklichkeit sieht häufig anders aus. Kunden haben kaum eine Möglichkeit, die Behauptungen der Anbieter vorab kritisch zu hinterfragen. Und Tierwohl kostet Geld, denn auch arbeitsunfähige Hunde sollen gepflegt und ernährt werden. Daher bringt es einen nicht unerheblichen finanziellen Vorteil, alte, kranke und einfach ungeeignete Hunde möglichst schnell zu „entsorgen“. Insbesondere, da die Branche sehr arbeitsintensiv ist und die Tiere den Großteil des Jahres nur Kosten produzieren. Der Wettbewerb wiederum zwingt dann auch andere Anbieter auf diesen Weg.

Der Schlittenhundetraum als Beruf

Die Hunde wollen das ganze Jahr über versorgt werden – auch wenn die Schlittensaison vorbei ist. Foto Jan Denks

Die ethischsten Firmen in Sachen Tierwohl finden sich unter den Lifestyle-Unternehmern. Diese leben in erster Linie ihren Traum und haben ihr Hobby zum Beruf gemacht. Sie haben eine begrenzte Anzahl von Hunden, die sie im Sommer selbst versorgen können. Während der Wintersaison beschäftigen sie in der Regel zusätzlich Mitarbeiter. Der Profit ist für sie zweitrangig. Andererseits gibt es für Hunde wahrscheinlich nichts Schlimmeres als eine Firma, die Verluste macht – weil dann eben das Geld für notwendige Dinge fehlt. 

Es ist für Kunden nicht immer leicht, den Unterschied zu erkennen, denn das Marketing suggeriert ja immer, dass die Tiere und die Leidenschaft für das Mushen im Vordergrund stehen. Und viele Kennel fangen als Lifestyle an, aber die finanziellen Realitäten oder Ambitionen führen langfristig dazu, dass sie genauso handeln wie rein kommerzielle Hundefarmen.

Was tun mit Hunden, die kein Geld bringen?

Eine Möglichkeit, unrentable Tiere loszuwerden, ist natürlich Einschläfern (Euthanasie). Abgesehen davon gibt es noch andere, mehr oder weniger ethische Methoden, Kosten zu senken.

  • Was, wenn Hunde nicht mehr für Safaris eingesetzt werden können? Foto Jan Denks

    Viele Hundefarmen haben Adoptionsprogramme, wo unrentable Hunde an willige Tierfreunde abgegeben werden. Es ist häufig fraglich, ob das neue Zuhause für einen Schlittenhund artgerecht ist, aber in erster Linie geht es ja auch darum, Betriebskosten auszulagern. 

  • Eine andere beliebte Variante, Kosten zu drücken, sind sogenannte Sponsorships und Spendensammlungen. Hundefreunde werden dazu angehalten, ein unproduktives Tier zu sponsern – also die laufenden Kosten für einen unrentablen Hund zu übernehmen. Einige Farmen haben zu diesem Zweck gemeinnützige Vereine gegründet, die legal Spendengelder sammeln dürfen. Dieses Geld wird dann genutzt, um eigentlich ja normale Betriebskosten zu decken. 
  • Ganz dreiste Firmen sollen ihre nutzlosen Hunde – die ja buchhalterisch nicht anderes als Verbindlichkeiten sind – sogar einfach an ihren gemeinnützigen Verein verkaufen und so die Spendengelder direkt in ihre Firmenkasse kanalisieren. Das wäre zwar illegal, aber Vereine unterliegen so gut wie keiner Kontrolle. 

Adoption, Spendengelder und gemeinnützige Vereine sind sicher besser als Masseneuthanasie, aber eine Branche, die an den Altruismus ihrer Kunden appelliert, um reguläre Betriebskosten zu decken, ist irgendwie krank. 

Wie man zu günstigen Arbeitskräften kommt

Schlittenhunde in Finnland. Foto Jan Denks

Eine Huskyfarm muss 365 Tage im Jahr betreut werden, die Saison, in der sich Geld verdienen lässt, dauert aber bestenfalls ein halbes Jahr. Sowohl die Tierpflege als auch die Husky-Safaris sind außerordentlich arbeitsintensiv. Unter normalen Umständen wären daher die Löhne der Angestellten der größte Kostenpunkt für eine professionelle Hundefarm. Aber diese Branche ist eben nicht normal. Ob Praktikanten, Freiwillige oder Auszubildende, sie alle haben eines gemeinsam – sie arbeiten unentgeltlich oder untertariflich für ein, in der Regel, hochprofitables Unternehmen. 

Freiwillige Arbeitskräfte als Geschäftsmodell

Fast alle unbezahlten Arbeitskräfte kommen aus dem Ausland und setzen, unter Berücksichtigung der Reisekosten, bei ihrer Auszeit im Norden meist sogar noch zu. Da das System auf Freiwilligkeit beruht, ist dies natürlich nicht verwerflich. Die lokale Bevölkerung jedoch, die auf ein adäquates Gehalt angewiesen ist, ist nicht mehr konkurrenzfähig. Daher bietet die Branche so gut wie keine Arbeitsplätze für Ortsansässige.

Leichtes Spiel für skrupellose Unternehmer

Ruhepause für die Hunde. Foto Jan Denks

Aber selbst untertarifliche Löhne sind vor der Gier einiger skrupelloser Unternehmer nicht sicher. Eine Branche, die wenig Qualifikation erfordert, aber einen hohen Personalbedarf hat, bietet viele Möglichkeiten und Anlässe zur Ausbeutung.

Überlange Arbeitszeiten, unbezahlte Löhne, erfundene Nebenkosten oder gar die Drohung mit Einwanderungsbehörden gehören zum Standardrepertoire krimineller Unternehmer. Da Lohndiebstahl in Finnland dem Zivilrecht, nicht dem Strafrecht, unterliegt, riskieren die wenigsten betrogenen Arbeitnehmer eine riskante und möglicherweise kostspielige Zivilklage. Das geringe Risiko wiederum ermöglicht hemmungslosen Unternehmern so die systematische und fortwährende Ausbeutung. Und neue, passionierte Saisonarbeiter sind in Lappland vorerst eine unerschöpfliche Ressource.

Husky-Safaris und das Jedermannsrecht

Schlittenhundetour in der Wildnis. Foto Jan Denks

Schlittenhundetouren benötigen viel unberührte Natur, um dem Kunden ein echtes Wildnisabenteuer bieten zu können. In der Regel aber gehört das Land, auf dem die Safaris stattfinden, nicht den Hundefarmen, sondern dem Staat oder privaten Landeigentümern. Nach finnischem Jedermannsrecht ist die Natur jedoch – unabhängig vom Eigentümer – frei zugänglich für alle. Dies gilt auch für kommerzielle Nutzung, soweit die Aktivität nur „geringfügige“ Schäden verursacht. Die Rechtslage dazu, was „geringfügig“ bedeutet, ist bis auf weiteres unklar. Das verursacht verständlicherweise Konflikte. Klar jedoch ist, dass die Branche auf das Landeigentum anderer angewiesen ist, und mithilfe diesem Profit macht. Bei andauerndem Wachstum der Schlittenhundebranche dürfte diese legale Grauzone langfristig nicht haltbar sein.

Huskies und Rentiere

Ein weiteres Problem betrifft die Rentiere. Deren Besitzer meinen, dass Husky-Safaris die Rentierhaltung schädigen. Musher wiederum sagen, ihre Gespanne stören die Rentiere genauso viel oder wenig wie eine Gruppe Skiläufer. Jeder, der schon mal in Lappland war, weiß, dass Rentiere auch gerne mal ungestört von Mensch und Auto  mitten im Ortskern grasen. Mit Ausnahme jener Gebiete, in denen die Rentiere im Frühling ihre Kälber gebären, könnte man also davon ausgehen, dass beide Wirtschaftszweige unproblematisch koexistieren könnten. Leider wurde das Thema in den letzten Jahren politisiert und ist heute ein fester Bestandteil des Kulturkrieges. Das erschwert den konstruktiven Dialog. 

Zum Autor: Jan Denks wohnt in Ivalo, Nordfinnland, und hat selbst in der Branche gearbeitet. Er liebt Hundeschlittentouren und wünscht sich, dass noch viele Menschen dieses einzigartige Wildnisabenteuer erleben dürfen – aber mit Akteuren, die nicht aus der Ausbeutung anderer Profit schlagen.

Zum Weiterlesen:

Berichte aus der finnischen Lokalzeitung Lapin Kansa zu Missständen in der Hundeschlittenbranche, deutsche Übersetzung:

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