Schweden. Was macht Blasentang im All? Das will Biologin Lena Kautsky wissen, und ihre Experimente-Box mit Fucus vesiculosus ist gerade von einem zehnminütigen Flug bis in 256 Kilometer Höhe über Kiruna zurückgekommen. Die Tour mit der Forschungsrakete Suborbital Express 4 ist der erste Schritt zur Antwort auf eine andere Frage: Warum vermehrt sich Blasentang nach dem Mondzyklus – selbst in der Ostsee, wo es gar keine Tide gibt?
![Lichtstrahl eines Raketenstarts](https://polarkreisportal.de/wp-content/uploads/2025/01/Raketenstart-Olle-Jansson.jpg)
Start des Suborbital Express 4 vom Esrange Space Center am 26. November 2014, 6 Uhr. Foto Olle Jansson, SSC
Lena Kautsky, inzwischen Professorin emerita der Universität Stockholm, hat ihr Forscherleben dem Blasentang gewidmet und betreibt auch einen Blog zum Thema (Tångbloggen). Blasentang ist eine weitverbreitete Tang-Art, die es unter anderem im Nordatlantik sowie in Nord- und Ostsee gibt. Diese Art vermehrt sich nur bei Voll- oder Neumond – also dann, wenn die Tide normalerweise am stärksten ist. Bei Ebbe liegt der Tang trocken, bei auflaufender Tide werden die Geschlechtszellen aktiviert. Das Wasser ermöglicht die Befruchtung.
In der Ostsee vermehrt sich der Tang ohne die Tide unter Wasser, hält sich dabei aber trotzdem an den Mond-Rhythmus. Das ließ Lena Kautsky darüber rätseln, wie der Tang diesen Mondrhythmus eigentlich merkt, und hat dafür schon alle erdenklichen Experimente durchgeführt. Die einzige Theorie, die ihr geblieben ist: Der Tang spürt die Anziehungskraft des Mondes. Dies ließe sich aber nur an einem Ort beweisen, wo es keine Schwerkraft gibt – im All.
Folgenreiche Radiosendung
Darüber sprach Kautsky einmal in einer Sendung des schwedischen Wissenschaftsradios, nicht ahnend, dass dies ein auch Vertreter der schwedischen Raumfahrtagentur SSC (Swedish Space Corporation) hören würde. Gunnar Florin von der SSC meldete sich bei Kautsky und bot ihr Platz in einem Flug einer Forschungsrakete vom Raketenstartplatz Esrange bei Kiruna an. Diese Rakete würde rund 250 hoch fliegen, was für mindestens sechs Minuten Mikrogravitation reicht.
![gelb-brauner Tang ohne Wasser](https://polarkreisportal.de/wp-content/uploads/2025/01/Blasentang.jpg)
Blasentang, hier ein trockenliegenes Exemplar im Tidengewässer.
Was helfen wenige Minuten Mikrogravitation? Das erklärt Kautskys Kollegin Ellen Schagerström im Blog. Diese Zeitspanne reiche aus, um herauszufinden, wie ein Organismus auf Schwerelosigkeit reagiere. Die Spuren fänden sich anschließend in den Genen, genauer in der mRNA (Messenger-RNA, Boten-Ribonukleinsäure).
Der Raketenstart verzögerte sich immer wieder, doch am 26. November 2024 war es dann soweit: Die Rakete mit dem Blasentang und fünf anderen Experimenten hob von Esrange ab und versetzte seine Payload kurzfristig in Schwerelosigkeit. Die Blasentang-Stückchen überlebten auch die Landung unversehrt, wurden geborgen und werden nun analysiert, in Kooperation mit der Universität Helsinki. Wenn die Ergebnisse vorliegen und zufriedenstellend sind, kann Kautsky den entscheidenden Schritt planen: das Blasentang-Vermehrungsexperiment auf der ISS. „Ich habe mehr als 30 Jahre davon geträumt, zu sehen, ob sich der Tang in der Mikrogravitation in der Raumstation vermehren kann. Dann haben wir das Rätsel gelöst“, so Kautsky zu SVT.
Mehr zu Raketenstarts in Kiruna: