Coronakommission kritisiert Schwedens Umgang mit der Pandemie

Schweden. Der Umgang mit der Corona-Pandemie in Schweden war geprägt von Versäumnissen. Dass es irgendwie doch klappte, die vielen Kranken zu versorgen, lag am engagierten Einsatz des medizinischen Personals. So urteilte die Coronakommission in ihrem zweiten Teilbericht, der gestern vorgestellt wurde. Die Auswirkungen sind noch unklar – mehrere der Verantwortlichen sind ohnehin nicht mehr oder bald nicht mehr im Amt.

Corona Bücherei

Aus der Anfangszeit der Pandemie: Abstand halten in der Bibliothek von Luleå.

Die Coronakommission wurde von der Regierung eingesetzt, sollte aber unter ihrem Vorsitzenden Mats Mehlin unabhängig ermitteln und alle Aspekte beleuchten, damit daraus Lehren für die Zukunft gezogen werden können. Im ersten Teilbericht ging es um die zu wenig geschützten Senioren, diesmal um „Schweden in der Pandemie“ . Der Abschlussbericht ist für den 25. Februar 2022 angekündigt.

Schon im ersten Teilbericht wurde vor allem die anfangs ungehinderte Virusverbreitung dafür verantwortlich gemacht, dass das Virus in so viele Seniorenheime eindringen konnte. Im neuen Teilbericht wird erneut kritisiert, dass die Maßnahmen zu langsam kamen und unzureichend waren, um die Verbreitung zu stoppen.

Kritik an den Regionen, Lob für Krankenhäuser

Die Kommission verweist jedoch auch auf strukturelle Faktoren, die sich als ungünstig erwiesen. So sei das geltende Infektionsschutzgesetz dafür nicht ausreichend gewesen, der Infektionsschutz außerdem dezentralisiert, sodass unklar gewesen sei, wer eigentlich in einem solchen Fall für was die Verantwortung trage. Schweden habe auch keine Lager mit Medikamenten und Schutzausrüstung gehabt und sich zu spät darum bemüht.  Neben der Regierung, der Behörde für öffentliche Gesundheit (Folkhälsomyndigheten) und der Sozialbehörde bekamen auch die Regionen harte Kritik, weil sie den Aufbau der Testkapazitäten mit einer Diskussion um Verantwortung und Finanzierung hinauszögerten – hier ist die Rede von einer „Havarie“.

Lob gab es für die Krankenhäuser, die innerhalb kürzester Zeit mit hohem persönlichen Einsatz des Personals umgestellt hätten. Um die Covid-Patienten versorgen zu können, wurden allerdings zahlreiche geplante Operationen aufgeschoben, die zu einem großen Teil immer noch nicht nachgeholt sind, zum Nachteil dieser Patienten.

Keine politischen Gewinner

Für die Regierung ist der Bericht keine gute Empfehlung für die Wahl im kommenden Jahr. Allerdings ist Premierminister Stefan Löfvén ohnehin auf dem Weg in den politischen Ruhestand und wird nächste Woche von Finanzministerin Magdalena Andersson abgelöst, wenn alles läuft, wie geplant. Gesundheitsministerin Lena Hallengren räumt ein, dass man mit dem jetzigen Wissen vieles hätte besser machen können, verweist aber auf das begrenzte Wissen, das man damals hatte. Kritik der Opposition ist insofern wenig glaubwürdig, weil sie erst nachträglich kam und weil die Oppositionsparteien in den Regionen teilweise selbst in der Verantwortung waren, zum Beispiel in Stockholm.

Behördenchef im Ruhestand

Im Ausland wurde vor allem Staatsepidemiologe Anders Tegnell als der Vater der schwedischen Strategie bekannt. Chef dieser Behörde war jedoch Johan Carlson, der diesen Kurs voll unterstützte. Carlson ging gestern planmäßig in den Ruhestand. Ab Montag leitet Karin Tegmark Wisell die Behörde. Sie war dort bisher Chefin der Mikrobiologie-Abteilung und ist in Schweden bereits ein bekanntes Gesicht aufgrund der regelmäßigen Pressekonferenzen. Anders Tegnell feierte im April seinen 65. Geburtstag und hat die Möglichkeit, ebenfalls in den Ruhestand zu gehen.

Zuletzt war Covid-19 in Schweden wochenlang auf niedrigem Niveau. Die Maßnahmen sind fast alle aufgehoben, die Aufmerksamkeit für das Thema ist nur noch gering – aber das könnte sich ändern, wenn die Inzidenzen wieder stärker steigen.

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