Schweden. Welche kreativen Werke und gesellschaftlichen Errungenschaften prägten Schweden? An dieser Zusammenstellung arbeitete eine Kommission fast zwei Jahre lang. Diese Woche wurde das Ergebnis übergeben – eine Liste mit 100 Punkten aus den unterschiedlichsten Bereichen. Mehr als der Inhalt dieser „Kulturkanon“ genannten Sammlung wurde allerdings über Absicht und Zweck diskutiert. Ist es nun eine Hilfestellung für Neu-Schweden, um sich besser integrieren zu können – oder doch einfach ein nationalistisches Projekt?
Zum Inhalt dieses Kulturkanons (Auswahl):

Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf und Werke von August Strindberg sind Teil des schwedischen Kulturkanons. Bildquellen: Rabén&Sjögren, Nordiska Museet
- Prosawerke: Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ ebenso wie August Strindbergs Novellensammlung „Heiraten“, Selma Lagerlöfs „Gösta Berlings Saga“, Karin Boyes „Kallocain“ und Sjöwall/Wahlöös „Das Ekel aus Säffle“
- Gedichte von Nils Ferlin, Edith Södergran, Tomas Tranströmer und Sonja Åkesson
- Kunst von Karin und Carl Larsson, Hilma af Klint, Elsa Beskow
- Musik wie „Calle Schewens Vals“ von Evert Taube und „Jazz på svenska“ von Jan Johansson
- Filme wie „Das Siebente Siegel“ von Ingmar Bergman und eine Reihe von Theaterinszenierungen, darunter „Medeas Barn“ („Medeas Kinder“) von Suzanne Osten und Per Lysander, ein Theaterstück für Kinder.
- Historische Sachprosa wie die Offenbarungen der Heiligen Birgitta, die „Geschichte der nordischen Völker“ von Olaus Magnus und Carl von Linnés „Lappländische Reise“
- Juristische Texte wie die Pressefreiheitsverordnung von 1766, das Jedermannsrecht und das Öffentlichkeitsprinzip
- Wirtschaftliche Unternehmungen wie die Kupfergrube von Falun, das Wasserkraftwerk Harsprånget und Ikea Älmhult
- Erfindungen wie Carl von Linnés Klassifizierungssystem, der Kachelofen (Fredrik Wrede/Carl Johan Cronstedt), das Kugellager (Sven Wingquist) und der Nobelpreis
- Einrichtungen wie der Vasalauf und der Lappkodicill von 1751, der in Ermangelung besserer Alternativen aktuell immer noch die Weiderechte von Rentieren regelt, die die schwedisch-norwegische Grenze überschreiten.
Eine komplette Liste gibt es unter anderem hier, der komplette Bericht zum Kulturkanon mit Kriterien und Begründung ist hier herunterzuladen.
Wozu ein Kulturkanon?
Der Kulturkanon ist ein Projekt, das von den Schwedendemokraten schon länger gefordert wird und im sogenannten Tidö-Abkommen, einer Art Koalitionsvertrag, zwischen den vier Parteien Moderate, Christdemokraten, Liberale und Schwedendemokraten vereinbart wurde. Im Abschlussbericht der Kommission selbst heißt es, der Kulturkanon ziele darauf ab, eine staatsbürgerliche Bildung zu fördern, die die Gemeinschaft stärken und das Verständnis für die historischen Wurzeln Schwedens erweitern könne. Die Kommission empfiehlt nun, eine Stiftung zu gründen, die die Inhalte zugänglich macht und regelmäßig überprüft.
Nationalistisches Projekt oder Einladung zur Inklusion?
Der Vorsitzende der Kommission, der Historiker Lars Trägårdh, hatte selbst im Interview mit SVT von einem „nationalistischen Projekt“ gesprochen, während Kulturministerin Parisa Liljestrand von den Moderaten bei der Übergabe des Berichts lieber hervorhob, es sei eine Einladung zur Inklusion. Von der Opposition war das Projekt von Anfang an kritisiert worden – zum einen als autoritär, zum anderen auch mit dem Hinweis darauf, dass die Regierung die Mittel für Kultur gekürzt hat.
Zufriedene Schwedendemokraten
Viele Schwedendemokraten sind höchst zufrieden damit, dass ihr Projekt nun umgesetzt ist, als Gegenpol zum „Multikulturalismus“. Manche nicht ganz: SD-Parlamentsmitglied Jessica Stegrud mokierte sich auf X darüber, dass im Fernsehen „eine in Schweden geborene Kurdin“ (gemeint: die sozialdemokratische Politikerin Lawen Redar) „und eine Perserin“ (gemeint: Kulturministerin Parisa Liljestrand, die mit drei Jahren nach Schweden kam) über den schwedischen Kulturkanon debattierten.
Zur Regierungskonstellation in Schweden: