Reykjavík (Island). Der Nordische Rat tagt in Reykjavík – mit prominenten Gästen wie Wolodymyr Selenskyj, aber ohne Grönland. Die grönländische Regierung boykottiert die Session 2024 wie angekündigt komplett, da es nach wie vor „eine A- und eine B-Mannschaft“ unter den Ländern des Nordischen Rates gebe. Eine offizielle Gleichstellung der Autonomiegebiete scheint jedoch in Reichweite – und prominenteste Fürsprecherin ist die dänische Premierministerin Mette Frederiksen.

Mette Frederiksen (rechts) im Nordischen Rat bei der Session 2024. Foto Eyþór Árnason/norden.org
Das übergeordnete Thema der diesjährigen Session des Nordischen Rates ist „Frieden und Sicherheit in der Arktis“. Es ist die erste Sitzungsrunde, bei der alle Mitglieder des Nordischen Rates Nato-Mitglieder sind. Das arktischste aller Mitglieder war jedoch nicht vertreten: Grönland. Regierungschef Múte B. Egede hatte bereits im Mai einen Rückzug aus dem Gremium angekündigt, nachdem die schwedische Ratspräsidentschaft mehrfach zu wichtigen Gesprächen nur die Vertreter von Dänemark, Norwegen, Finnland und Island eingeladen hatte, nicht aber von Grönland, den Färöer und Åland. Auch bei einzelnen Treffen im Rahmen dieser Session ist das der Fall. Egede blieb deshalb wie angekündigt fern und wiederholte seine Kritik in einem Facebook-Beitrag: „…denn wer kommt schon, wenn man nicht willkommen ist?“
Aksel V. Johannesen: „“Entweder sind wir ganz dabei, oder wir sind nicht dabei.““
Der färöische Regierungschef Aksel V. Johannesen sieht das ähnlich wie Egede, wählte aber eine andere Strategie: Er blieb zwar ebenfalls demonstrativ einem Treffen fern, zum dem er eingeladen war, kam aber zum Plenum am Dienstagnachmittag und hielt dort (auf Dänisch) eine Rede, in der es genau darum ging: In der Theorie sei der Norden die am meisten integrierte, demokratischeste Region, in der alle gleich viel wert seien – aber dies gelte offenbar nicht für alle nordischen Länder. Das hätten sie unter der aktuellen Ratspräsidentschaft zu spüren bekommen. Die Färöer teilten diese Werte und seien bereit, eine aktive Rolle zu spielen. Deshalb sei es schwer, zu verstehen, warum sie nicht zu allen Veranstaltungen eingeladen würden. Johannesen forderte die Mitglieder auf, für den vorliegenden Entwurf zu stimmen: „Entweder sind wir ganz dabei, oder wir sind nicht dabei.“
Änderung der rechtlichen Grundlagen
Formell hat sich die schwedische Ratspräsidentschaft vermutlich an das gehalten, was das Helsinki-Abkommen, das die Grundlage bei der Gründung 1962 bildete, vorsieht. Doch die Zeiten und auch die Verhältnisse in den Ländern haben sich geändert. Deshalb wurde das Abkommen schon in der Vergangenheit mehrfach aktualisiert. Nun ist ein weiterer Entwurf zur Änderung dieses Abkommens ausformuliert worden, der den Autonomiegebieten Grönland, Färöer und Åland eine gleichwertige Mitgliedschaft im Nordischen Rat ermöglichen würde. Dänemarks Premierministerin Mette Frederiksen hatte sich dafür in einem Brief vorab an ihre Kollegen in den anderen nordischen Ländern stark gemacht und sprach sich auch im Plenum explizit dafür aus. Juristische Probleme dabei, auch mit der dänischen Verfassung, hält sie für lösbar.
Wenig Engagement von Schweden
Der schwedische Premierminister Ulf Kristersson äußerte sich im Plenum nur ausweichend zu den Wünschen insbesondere aus Grönland und von den Färöer und verwies auf den vorliegenden Änderungsentwurf. Die Umsetzung dieses Entwurfs überlässt er auch der finnisch-åländischen Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr. Die Vertreterin Ålands, Katrin Sjögren, begrüßte die Initiative aus Grönland und von den Färöer in ihrer Rede im Plenum ausdrücklich.
Live-Übertragung aus dem Plenum des Nordischen Rates bzw. Aufzeichnungen: norden.org
Früherer Artikel zum Thema:
Grönland protestiert gegen einen Nordischen Rat der zwei Klassen