Island. Die vorgezogene Neuwahl auf Island hat die Machtverhältnisse im Parlament, dem Alþingi, massiv verschoben. Die sozialdemokratische Allianz (Samfylkingin) und die liberale Reformpartei (Viðreisn) haben ihr Ergebnis verdoppelt, die drei Regierungsparteien wurden abgestraft. Linksgrüne und Piraten sind nicht mehr im Parlament vertreten. Alle Zahlen nach RÚV.
Das Ergebnis entspricht ungefähr den Umfragen: Die sozialdemokratische Allianz wird stärkste Partei mit 20,8 Prozent und 15 Sitzen – mehr als eine Verdoppelung. Auch die liberale Reformpartei, die Partei des Volkes und die Zentrumspartei legten zu. Von den ehemaligen Regierungsparteien (Unabhängigkeitspartei, Fortschrittspartei, Linksgrüne), hielt sich die konservative Unabhängigkeitspartei noch am besten: Sie wurde mit 19,4 Prozent noch zweitstärkste Fraktion und verlor nur zwei Sitze (vorher 16, jetzt 14).
Steiler Absturz der Linksgrünen
Fest steht inzwischen, dass im neuen isländischen Parlament nur noch sechs statt wie zuletzt acht Parteien vertreten sind. Besonders auffällig ist der Absturz der Linksgrünen: Sie bekamen 2021 12,6 Prozent, diesmal nur noch 2,3 Prozent. 2017 hatten sie sogar 16,9 Prozent bekommen, und ihre Spitzenkandidatin Katrín Jakobsdóttir wurde Premierministerin. Die Linksgrünen haben in den sieben Jahren Koalition mit den beiden ideologisch ihnen eher fernen Parteien Unabhängigkeitspartei und Fortschrittspartei Kompromisse gemacht, für die sie nun von den Wählern abgestraft wurden. Der Versuch der neuen Parteivorsitzenden Svandís Svavarsdóttir, mehr linksgrünes Profil zu zeigen, ist fehlgeschlagen. Auch die Piraten, lange eine starke Kraft auf Island, scheiterten nun an der 5-Prozent-Hürde. Neue Parteien erreichten ebenfalls keine Sitze. Ungefähr zehn Prozent der Wählerstimmen finden so keine Vertretung, weil es für ihre Kandidaten nicht reichte.
Politischer Auftrag für Kristrún Frostadóttir
Aus dem Wahlergebnis ergibt sich zunächst ein starker Rückhalt für die Vorsitzende der sozialdemokratischen Allianz, Kristrún Frostadóttir, eine Regierung zu bilden. Entscheidend wird sein, für welche Seite sich die liberale Reformpartei mit Spitzenkandidatin Þorgerður Katrín Gunnarsdóttir entscheidet, die 15,8 Prozent und insgesamt 11 Sitze bekam. Rechnerisch wäre eine Regierung aus Sozialdemokratischer Allianz, Reformpartei und Partei des Volkes möglich. Die Parteie des Volkes (Flokkur Folksins) von Inga Sæland, ist mit 13,9 Prozent und 10 Sitzen ebenfalls deutlich stärker als früher. Bjarni Benediktsson von der Unabhängigkeitspartei könnte aber auch versuchen, um neue Partner zu werben, um ein neues, eher konservatives Bündnis aufzustellen. Das isländische Parlament hat 63 Sitze.
Wahl trotz Schneesturm im Osten
Kurz vor der Wahl hatte es noch Bedenken gegeben, ob die Wahl überhaupt stattfinden könne wie geplant, weil der Wetterdienst ausgerechnet für Samstag Schneesturm im Osten des Landes vorhergesagt hatte. Der kam dann auch. Allerdings hatte die Verkehrsbehörde besonders viele Räumfahrzeuge eingesetzt, und in Einzelfällen wurden Wahlurnen aus den Wahllokalen mit Superjeeps oder Hubschraubern zur Zählung transportiert. Viele aus den betroffenen Gebieten hatten auch die Möglichkeit genutzt, schon vorher die Stimme abzugeben. Und wurde diesmal trotz der widrigen Umstände in Teilen des Landes sogar eine höhere Wahlbeteiligung als 2021 gemeldet.
Früherer Artikel zum Thema: