Rezension: „Das kalte Schweigen der See“ von Morgan Audic

Der Eisbär prangt prominent auf dem Titel, und die vom Eisbären  gefledderte Leiche erscheint dann auch auf Seite 20. Erfahrene Krimileser ahnen: Wäre es so einfach, kämen da nicht noch 400 Seiten. In „Das kalte Schweigen der See“ des französischen Autors Morgan Audic, das auf Spitzbergen und auf den Lofoten spielt, ist vieles nicht so, wie es am Anfang scheint. Und deshalb bleibt es auch bis zum Schluss spannend. Das Buch ist jetzt auf Deutsch erschienen.

Morgan Audic: „Das kalte Schweigen der See“

Bei der vom Eisbären gefledderten Leiche handelt es sich um die junge Meeresbiologin Agneta Sørensen. Dass ausgerechnet diese ohne Gewehr zum Kadaver eine Pottwals gefahren sein soll, und noch dazu allein, gehört zu den Dingen, die Polizistin Lottie misstrauisch machen. Lottie hatte eigentlich auf einen heilsam ruhigen Berufsalltag auf Spitzbergen gehofft, im Gegensatz zu ihrem früheren Einsatzort Oslo, aber es gibt einfach zu viele Sachen, die nicht stimmen. Und dann erfährt sie bei einem Ausflug aufs Festland von einem anderen seltsamen Todesfall: Eine Frau, die Tauchsafaris mit Walen auf den Lofoten anbietet, soll sich selbst umgebracht haben. Hier hat ein Freund der Toten, ein Kriegsreporter, schon einiges an Recherche geleistet und glaubt nicht daran – und eine Verbindung zwischen den beiden ist das Interesse für Wale.

Spitzbergen, Eisbärin Frost und Hvaldimir

Der französische Originaltitel heißt „Personne ne meurt à Longyearbyen“ (Keiner stirbt in Longyearbyen), eine Anspielung darauf, dass Longyearbyen eben kein Ort ist wie jeder andere, sowohl zu Geburten als auch zum Sterben soll man sich eigentlich aufs Festland begeben. Auch viele andere Eigentümlichkeiten Spitzbergens spielen eine Rolle, so die schwierige Balance mit Russland auf dem Archipel, erst recht seit dem Beginn des Ukrainekriegs. Außerdem tauchen zwei prominente Tiere auf, die in den Medien häufig präsent waren: Eisbärin Frost soll im Krimi diejenige sein, die die Leiche der Meeresbiologin zugerichtet hat. Die echte Frost hat sich zwar mit Hütteneinbrüchen unbeliebt gemacht, aber nie einen Menschen getötet. Sie starb noch vor Fertigstellung des Buches. Die Geschichte des Belugawals Hvaldimir spielt ebenfalls eine Rolle in diesem Buch – mehr soll hier nicht verraten werden. Hvaldimir starb Ende August.

Menschen, Tiere und Dämonen

Das Verhältnis von Mensch und Tier zieht sich dabei wie ein roter Faden durch das Buch, während Lottie und der Reporter längst menschlichen Tätern hinterherjagen – und dabei auch noch die eigenen Dämonen bekämpfen müssen, die jeder von ihnen mit sich trägt.

„Das kalte Schweigen der See“ ist Morgan Audics dritter Krimi, aber der erste, der ins Deutsche übersetzt wurde. Übersetzung aus dem Französischen von Tobias Scheffel und Claudia Steinitz. Das Buch ist bei Hoffmann und Campe erschienen, ISBN 978-3-455-01821-9

 

 

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