Wahlen in Norwegen und der Nord-Faktor

Norwegen. Die Kommunal- und Fylkeswahlen in Norwegen sind gelaufen und haben die politischen Verhältnisse massiv geändert.  Es gab sowohl Verluste für die konservativen Regierungsparteien als auch Verluste für die größte Oppositionspartei Arbeiderpartiet (Ap), die nicht als Alternative gesehen wird.

Postflagge

Stürmische Verhältnisse auch in der Politik

Aber auch drei Sieger: Senterpartiet (Sp), die sich verstärkt um ländliche Regionen kümmerte, die neue Anti-Bompenger-Partei, eine Protestpartei in Städten, die auf Anhieb viele Sitze gewann, sowie Miljøpartiet de Grønne (MDG) in Oslo, die für Bompenger (Maut) als umweltpolitische Maßnahme kämpft.

Der Trend zu kleineren Parteien ist auch in anderen Ländern zu beobachten. Speziell in Nordnorwegen gab es jedoch eine Reihe von Entscheidungen, die Wähler sehr nachdrücklich verärgert haben, was sich nun auch bei den Kommunal- und Fylkeswahlen ausgewirkt hat.

1. Die Zusammenlegung der Fylke Troms und Finnmark

Größere Verwaltungseinheiten sind effektiver – diese Predigt kennt man auch von anderswo. Zum 1. Januar 2020 werden die heutigen Fylke  Troms und Finnmark nach einer Verwaltungsreform zusammengeschlagen und haben nun bereits für das gemeinsame Gremium gewählt. Sie bringen es gemeinsam auf eine Fläche von 74.828 Quadratkilometer, was etwas mehr ist als Bayern. Insgesamt leben dort aber nur 244.000 Menschen, davon etwa 76.000 in der größten Stadt Tromsø. Die Wege zwischen den Orten sind lang. Und anders als in Bayern gibt es auch nicht sehr viele. Eine Lawine an ungünstiger Stelle an der E 6, und es bleibt nur der Umweg über Finnland.

Tromsø wird die Hauptstadt des neuen Fylke Troms og Finnmark

Ziel einer Verwaltungsreform ist in der Regel, Stellen durch Synergieeffekte einzusparen. Dies wird sich vor allem in Vadsø bemerkbar machen, der Verwaltungshauptstadt der Finnmark, die diesen Status verlieren wird. Dazu kam der emotionale Aspekt – als kleinerer Partner unter die Räder zu kommen und nicht mehr für sich selbst sprechen zu können. Vor allem die Finnmark sieht sich deshalb als Verlierer einer weiteren Zentralisierung, bei einer Volksabstimmung sprachen sich 87 Prozent dagegen aus. Die massiven Proteste aus dem Norden machten allerdings keinen Eindruck in Oslo – dafür gab es nun die Quittung.

2. Probleme bei Krankenflügen

In der dünn besiedelten Region sind die Wege auch zum Krankenhaus weit. Deshalb werden häufig Hubschrauber und Kleinflugzeuge für den Krankentransport eingesetzt. Dieser Dienst ist zwar über ein staatliches Unternehmen organisiert und finanziert, die Flugleistung selbst (Maschine, Wartung, Pilot) wurde jedoch öffentlich ausgeschrieben.

Kautokeino

Von Kautokeino in der inneren Finnmark bis zum nächsten Krankenhaus in Hammerfest sind es 270 Kilometer.

Die Ausschreibung gewann das britisch-schwedische Unternehmen Babcock, der bisher tätige norwegische Dienstleister musste dieses Feld abgeben. Das sorgte schon im Vorfeld für Probleme. Die Umstellung geschah nun am 1. Juli und war mit massiven Schwierigkeiten verbunden. Teilweise musste das Militär mit Hubschraubern einspringen, weil noch nicht ausreichend Piloten auf den neuen Flugzeugen geschult waren. Das Starten und Landen auf den kurzen Pisten in Nordnorwegen ist eine besondere Herausforderung. Viele Bürger nehmen es der Regierung in Oslo übel, dass ihr Krankentransport und damit auch die schnelle Hilfe im Notfall für ein paar gesparte Kronen unsicherer geworden ist.

3. Die geplante Niederlegung des Stützpunktes Andøya

Der Verlust von Arbeitsplätzen kommt immer schlecht an. Und auch an einem Luftwaffenstützpunkt hängen Arbeitsplätze. Andøya auf den Vesterålen soll geschlossen werden, sobald die neue Einrichtung in Evenes fertig ist. Dies wurde 2016 nicht nur von der konservativen Regierung, sondern auch mit Stimmen der sozialdemokratischen Arbeiderpartiet (Ap) beschlossen. Daran änderte sich auch nichts, als Zweifel daran aufkamen, ob Evenes wirklich so geeignet ist. Erna Solbergs Høyre haben dort 35,6 Prozentpunkte verloren und kamen nur noch auf 5,6 Prozent. Ap muss sich mit 13 Prozent zufrieden geben (minus 8 Prozent). Wie an vielen Orten, wo die Bewohner mit beiden Blöcken unzufrieden sind, machte hier Senterpartiet (Sp) das Rennen: Sie gewannen 45,5 Prozent dazu und liegen bei 55,9 Prozent.

4. Der Kampf ums Nordkap

Einnahmen aus dem Tourismus am Nordkap machen Hotelerben in Bærum reich – immer weniger Leute im Umfeld dieses symbolträchtigen Felsens wollten dies hinnehmen.

Nordkap

Nordkap. Foto Caroline Maybach, CC BY-SA 3.0

Trotzdem wurde das Abkommen  mit Rica Eiendom und Scandic verlängert. Viele meinen, die Kommune Nordkapp hätte mehr herausholen sollen und können. Der Ärger bekam die bis dahin herrschende Ap zu spüren: Sie verlor 36,9 Prozent und muss sich mit 17,8 Prozent begnügen. Belohnt wurde hier die linke Sosialistisk Venstreparti (SV), die besonders gegen die Vertragsverlängerung gekämpft hatte, und ist jetzt mit 37 Prozent die stärkste Fraktion überhaupt. Sp legte auch dort kräftig zu und bekam 29,7 Prozent.

Alle Ergebnisse bei Valgresultat.no und bei NRK

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3 Antworten zu Wahlen in Norwegen und der Nord-Faktor

  1. Michael Wanner sagt:

    Vielen Dank! Das ist ja schon mal eine interessante Info. Alta war natürlich schon ein ziemlicher Verlust für Finnmark. Ist ja, glaube ich, die einwohnerreichste Kommune.

  2. Michael Wanner sagt:

    Ich habe eine Frage zur Fylkereform. Leider findet man auf deutschen Seiten sehr wenig dazu. Meiner Meinung nach ist das Projekt ja von Anfang an ziemlich vermurkst. Die Fusionen waren ja überall extrem unbeliebt (v.a. in Finnmark und Troms). Wie sieht es jetzt nach dem Regierunsgwechsel aus? In der neuen Regeirung sind ja einige Parteien, die entschiedene Gegner der Reform waren. Werden die zusammengelegten Fylke wieder aufegelöst? Betrifft ja wohl v.a. Finnmark und Troms sowie Viken. Am wenigstens umstritten sind wohl Tröndelag und Agder. Das passt ja auch gut zusammen. Alles andere kam mir von Anfang an recht willkürlich und undurchdacht vor (warum etwa Hordaland und Sogn og Fjordane fusioniert wurden, Rogaland und Möre og Romsdal hingegen unabhängig blieben oder das seltsam quere Projekt Viken). Über aktuelle Infos zu diesem Thema würde ich mich sehr freuen.

    • Andrea Seliger sagt:

      Danke für die Anregung! Die neue Regierung hat die Möglichkeit geschaffen, dass zwangsweise zusammengelegte Fylke sich wieder auflösen dürfen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Nach dem aktuellen Stand sieht es so aus: Viken und Troms og Finnmark sind bereits dabei, die Vorbereitungen für die Auflösung zu treffen. In Troms og Finnmark ist noch die Frage, ob Alta sich eventuell lieber Troms zuschlägt – Alta liegt ja genau in der Mitte. Das wäre für die Finnmark natürlich ein Verlust. Innlandet bleibt fusioniert, obwohl es dort eine Volksabstimmung für die Auflösung gab – die Mehrheit der Politiker hat sich dort anders entschieden. Ich bleibe am Ball!

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