Norwegen. Die Regierung in Oslo wird zurzeit öfter an den nördlichen Landesteil erinnert, als ihr lieb ist. Da ist zur einen der Ärger um die Krankentransporte per Luft – bisher nicht gelöst. Und dann will die Finnmark nicht der in Oslo beschlossenen Regionsreform folgen und hat dazu sogar eine Volksabstimmung durchgeführt: 87 Prozent sind dagegen. Darüber berichtete NRK.
Bisher ist Norwegens Politik und Verwaltung auf drei Ebenen organisiert: Landesebene, Fylke (Region) und Kommune. Plan der Regierung war es, größere Einheiten zu schaffen. So sollten aus den 19 Fylke elf werden. Besonders heftiger Widerstand dagegen kommt gerade aus Nordnorwegen: Die Fylke Troms und Finnmark sollten sich zusammentun. Für Troms war dies insoweit akzeptabel, als dass alles andere als eine Fylke-Hauptstadt Tromsø (74 541 Einwohner) gar nicht denkbar war. Finnmarks Hauptstadt ist Vadsø, ganz im Osten – und die Verwaltung ein wichtiger Arbeitgeber. 99 Jahre lang war die Finnmark ein Fylke.
Doch es geht nicht nur um Arbeitsplätze. In der Finnmark leben nur halb so viele Menschen (Anfang Januar 76 167) wie in Troms (166 499), man fürchtet, als kleiner Partner immer untergebuttert zu werden. Außerdem ist die Finnmark bereits das größte Fylke von allen (48 631,08 Quadratkilometer), vergleichbar mit Niedersachsen (47 614,07 Quadratkilometer. Deshalb sind die Wege weit. Von Vadsø nach Tromsø sind es 750 Kilometer plus Fähre oder 800 Kilometer ohne Fähre, aber dafür durch Finnland.Das neue Fylke würde ein Viertel des Gebietes von Norwegen umfassen.
Der Beginn der Verhandlungen zwischen den Fylke-Delegationen, die nun zwangsweise Partner werden sollten, war schon zäh. Mit dem ersten Ergebnis konnten sich viele „Finnmarkinger“ gar nicht anfreunden. Die Proteste nahmen Fahrt auf. Die Mehrheit im Fylketing beschloss daraufhin, die Einwohner über die zwangsweise Zusammenschlagung abstimmen zu lassen. Die neue zuständige Ministerin Monica Maeland machte allerdings klar, dass sich dadurch nichts ändern werde. Die Sache sei vom Storting beschlossen worden.
Am 14. Mai fand die Abstimmung statt. 87 Prozent stimmten mit Nein – je weiter östlich, desto mehr. Die Wahlbeteiligung betrug 58 Prozent.
Die landesweite Presse verfolgt das Thema aufmerksam. Mancher rätselt, warum die Regierung unbedingt diese Zusammenschlagung gegen den Willen fast aller vor Ort durchsetzen will. Die anderen Fylke-Vereinigungen sind mittlerweile in Gang. „Finnmark, Ernas egen koloni“ , betitelte der NRK- Kommentator seinen Beitrag, nachdem auch Premierministerin Erna Solberg die eigens nach Oslo gereiste Vorsitzende des Fylke Finnmark mit ihren Stimmzetteln nicht erhören wollte. Und dürfte damit ausgesprochen haben, wie viele Finnmarker sich aktuell fühlen.
Der Redakteur einer Zeitung hatte schon einen Vorschlag aus der Misere: Die Finnmark sollte einfach ein selbstständiger Staat werden. Soweit dürfte es allerdings nicht kommen.
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