Spitzbergen (Norwegen). Erst im Sommer offenbart sich, ob die Rentiere auf Spitzbergen im Winter genug Futter gefunden haben. Die Sommerzählung des Norwegischen Polarinstituts im Adventdalen zeigt: offenbar nicht. Es wurde viele Kadaver gefunden und wenige Kälber. Insgesamt ist der Bestand im Adventdalen allerdings immer noch auf einem hohen Niveau.
Die Rentiere wurden im „Niemandsland“ Spitzbergen früher massiv bejagt, wie andere Tierarten auch. 1925, mit Beginn der norwegischen Souveränität, wurde das Spitzbergen-Rentier unter Schutz gestellt, bis es sich wieder vermehrt und verbreitet hatte. Dieser Schutzstatus endete 1983, aber auch heute ist die Jagd auf Rentiere auf bestimmte Gebiete begrenzt. Spitzbergen-Rentiere sind kleiner als die auf dem Festland und perfekt an Kälte und ein geringes Nahrungsangebot angepasst.
Immer noch großer Bestand im Adventdalen
Die Zählung der Tiere im Adventdalen begann 1979, damals waren es 457. Diese Zahl ist seitdem deutlich gestiegen, insbesondere seit 2010: Das Polarinstitut meldet nun 1318 Rentiere in diesem Tal, das eins der größten und vegetationsreichsten der Inselgruppe überhaupt ist und wo auch nicht gejagt wird. Es waren allerdings zeitweise auch schon mehr als 1600.
Mehr Kadaver – aber Sterblichkeitsquote nicht so hoch wie 2008
Rentierforscherin Åshild Ønvik Pedersen vom Norwegischen Polarinstitut berichtet von 302 Kadavern, die sie bei der Bereisung im Tal gefunden habe – die bisher höchste absolute Zahl überhaupt. Bisher war das Maximum 206 Kadaver im Jahr 2008. Damals gab es allerdings auch insgesamt noch viel weniger Rentiere im Tal, im Verhältnis zum Bestand sei die Sterblichkeitsquote nicht so hoch wie damals.
Mehr Futter im Sommer, schwieriger im Winter
Im Adventdalen profitieren die Rentiere einerseits von der Klimaerwärmung, weil sie über den längeren und wärmeren Sommer mehr Futter finden. Wenn sich im Winter allerdings gefrierender Regen als Eisschicht auf die Vegetation legt, kommen sie nicht mehr dran – anders als bei mäßig hohem, lockerem Schnee, den sie mit den Hufen aufgraben können. „Es war wahrscheinlich ein harter Winter für die Rentiere im Adventdalen, mit teilweise eisbedeckten Weideflächen und lokal viel Schnee, was zu einer größeren Konkurrenz um das Futter geführt hat, und was sowohl das Überleben als auch die Zahl der Kälber beeinflusst hat“, meint Åshild Ønvik Pedersen. Nur zwei von zehn Rentierkühen hatte ein Kalb.
Lokal unterschiedliche Auswirkungen
Rentiere gibt es auf der Inselgruppe fast überall, außer in den von Gletschern bedeckten Gebieten und auf sehr abseits liegenden Inseln. Dabei wirkt sich die Erwärmung allerdings lokal unterschiedlich aus. Im August soll auf der Brøgger-Halbinsel gezählt werden, wo sich der Bestand nicht so vermehrt hat wie im Adventdalen, wo es deswegen aber auch weniger Konkurrenz um das Futter gibt.
Bilder aus Spitzbergen gibt es noch zwei Tage in der aktuellen Galerie