Schweden: Neues Spionagegesetz beeinträchtigt Pressefreiheit

Schweden. Als die schwedische Regierung im November 2022 eine Grundgesetzänderung vornahm, um das Land besser vor „Auslandsspionage“ zu schützen, gab es Warnungen: Dies könne auch investigative Journalisten treffen. Und damit die Aufgabe der Presse behindern. Denn wer möchte noch unliebsame Fakten auspacken, wenn ihm dafür Gefängnis droht? Der erste solche Fall ist nun zumindest halb eingetreten: Der öffentlich-rechtliche Fernsehsender SVT stoppte die Veröffentlichung von Bildern zum jüngsten Pentagon-Leck. Darüber berichtete zuerst die Sendung „Medierna“ von Sveriges Radio, dann SVT selbst.

Riksdag Stockholm

Riksdag in Stockholm.

Bilder der aus dem Pentagon geleakten Dokumente erschienen unter anderem auf Telegram und Twitter. Das SVT-Rechercheteam wollte dem Publikum anhand eines Beispiels, der ukrainischen Energieversorgung, den Charakter dieser Leaks näher bringen. „Es war alles so abstrakt. Wir wollten, dass es verständlich wurde, pädagogisch, für diejenigen, die den Krieg nicht so genau verfolgen“, so SVT-Redakteur Henrik Silver gegenüber Medierna. Doch Herausgeberin Charlotta Friborg stoppte die Veröffentlichung des geplanten Bildmaterials mit Hinweis auf die neue Gesetzeslage, die sie selbst im Interview mit Medierna als „absurd“ bezeichnete. Davor habe sie sich mit gleich drei Fachjuristen darüber beraten, ob das Material unter das neue Gesetz fallen könne.

Journalismus oder Spionage?

Konkret besagt das neue Gesetz, das seit dem 1. Januar in Kraft ist, dass es künftig strafbar sein kann, geheime Details aus Schwedens Kooperationen mit anderen Ländern oder Einrichtungen ans Licht zu bringen. Ausnahmen gibt es für „gerechtfertigte Veröffentlichungen“, eine Formulierung, die nicht wirklich rechtssicher ist. Da es sich um eine Änderung des Grundgesetzes handelte, wurde das Gesetz sowohl vom früheren als auch vom aktuellen Parlament mehrheitlich bestätigt.

Einem Gerichtsprozess aus dem Weg gehen

Friborg ging zwar nicht davon aus, dass die Journalisten eingesperrt worden wären, doch sie befürchtete einen zeitraubenden Prozess.  Ähnlich sah es auch Redakteur Silver selbst, der darauf hinwies, dass auch andere Medien kaum die verfügbaren Bilder genutzt hätten, und der die Gedanken so beschrieb: „Ist es das wert? Sind das wirklich Bilder, für die wir bereit sind, vor Gericht zu streiten? Vielleicht gibt es andere Themen, die noch wichtiger sind.“ Früher, so war er sich sicher, wären diese aber publiziert worden. Das Beispiel zeigt, wie eine Schere im Kopf beginnt.

Heute: Tag der Pressefreiheit

In neuen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen, die heute veröffentlicht wurde, liegen die nordischen Länder immer noch an der Spitze, ganz oben Norwegen. Schweden und Finnland sind jeweils einen Platz gesunken (jetzt 4 und 5). Aktuell sitzen 540 Journalisten weltweit aufgrund ihrer Berufsausübung in Haft, die meisten  davon in China (110) und Myanmar (62) .

Zwei aktuelle prominente Beispiele inhaftierter Journalisten:

In Moskau sitzt seit März 2023  Evan Gershkovich in Haft, Russland-Korrespondent des Wall Street Journals, von Russland angeklagt wegen Spionage.

In London sitzt seit vier Jahren Julian Assange in Haft, Gründer der Plattform Wikileaks, über die er unter anderem ihm zugespieltes Material zu Kriegsverbrechen der USA veröffentlichte. Die USA wollen ihn wegen Spionage anklagen und haben die Auslieferung beantragt. Großbritannien hat bereits zugestimmt, es läuft aber noch ein Widerspruchsverfahren.

Frühere Artikel zum Thema:

Dieser Beitrag wurde unter Gesellschaft, Politik, Schweden veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert