Schweden. Eine wichtige Maßnahme im Kampf gegen Spionage oder eine weitgehende Einschränkung investigativer Recherche und Pressefreiheit? In Schweden ist gerade eine Grundgesetzänderung beschlossen worden, die für Whistleblower und Journalisten massive Folgen haben kann. Es gab Proteste dagegen von Journalisten und Verlagshäusern, die aber nichts bewirkten. Darüber berichteten unter anderem SVT und Aftonbladet.
Schweden gehörte bisher zu den wenigen Ländern, bei denen die Pressefreiheit noch als „gut“ eingestuft wurde. Damit dürfte es nun vorbei sein. Denn in Zukunft kann sich strafbar machen, wer nichtöffentliche Angaben zur Zusammenarbeit Schwedens mit anderen Ländern oder Institutionen (NATO, EU, UN) publiziert, die diese Beziehungen verschlechtern könnten. Nur wenn die Veröffentlichung „gerechtfertigt“ ist, geht der Reporter straffrei aus. Das ist unabhängig davon, ob die Angaben stimmen oder nicht. Auch der Quellenschutz gilt in diesem Fall nicht mehr.
Ins Gefängnis für kritische Recherche?
Für Whistleblower, investigative Reporter und Medien, die kritische Informationen aus Schwedens internationaler Zusammenarbeit veröffentlichen, bedeutet dies künftig eine Rechtsunsicherheit. Im schlimmsten Fall muss selbst der Reporter mit einer Gefängnisstrafe rechnen – auch wenn der veröffentlichte Sachverhalt völlig korrekt ist.
Das Gesetz soll Schweden vor Spionage und dem Einfluss ausländischer Mächte schützen. Es handelt sich um eine Grundgesetzänderung, für die besondere Regeln gelten: Sie muss von zwei Parlamenten beschlossen werden, und dazwischen muss eine Wahl liegen. Die Gesetzesänderung wird seit Jahren vorbereitet und soll eine Lücke in der Gesetzgebung füllen. Zum ersten Mal wurde darüber im April abgestimmt, also noch unter der Regierung von Magdalena Andersson. Damals stimmten die Linkspartei und die Liberalen dagegen. Die Wahl hat stattgefunden, und nun stimmte das neue Parlament darüber ab. Diesmal stimmten Linkspartei und die grüne Miljöpartiet dagegen. Die Liberalen sind inzwischen in der Regierung und haben deshalb ihre Meinung geändert. Für die Befürworter-Parteien ist das Ventil „gerechtfertigter“ Veröffentlichung genug – vielen Juristen und Journalisten nicht, da es nicht genug Rechtssicherheit bietet.
Wichtige Enthüllungen zukünftig kriminalisert?
In der Diskussion wurden wichtige Enthüllungen aus den vergangenen Jahren genannt, die in Zukunft kriminalisiert würden. Ein Beispiel ist, wie Ekot (öffentlich-rechtliches Radio) 2012 aufdeckte, dass eine schwedische Behörde Saudi-Arabien beim Bau einer Waffenfabrik beistehen wollte. Anschließend trugen weitere Medien zu Enthüllungen in der Sache bei.
Ein anderes Beispiel ist der Fall des Whistleblowers Anders Kompass. Der schwedische Diplomat arbeitete für die UN und erfuhr, dass französische Soldaten während eines UN-Einsatzes in der Zentralafrikanischen Republik sexuelle Übergriffe an Jungen zwischen 8 und 13 Jahren verübten. Er versuchte zunächst, intern darauf aufmerksam zu machen und wurde gekündigt. 2015 berichtete der britische Guardian darüber, was eine Welle der Empörung gegen die UN auslöste. Anders Kompass selbst ist laut Aftonbladet „rasend“ über die Grundgesetzänderung.
Fouad Youcefi, aktuell SVTs USA-Korrespondent, schreibt in einem Kommentar über die Fragen, die investigative Journalisten zu hören bekommen – und was er in Zukunft antworten muss, wenn jemand nach der Gesetzeslage in Schweden fragt: „Wenn du der nächste Edward Snowden mit explosiven Enthüllungen über Schwedens Vorhaben oder die anderer Länder in der NATO oder UN bist, melde dich nicht bei mir, denn ich kann nicht garantieren, dass du innerhalb des gesetzlichen Rahmens bleibst.“
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