Preis für Nato-Beitritt: Unsicherheit für Kurden in Schweden und Finnland

Schweden/Finnland. Welchen Preis zahlen Schweden und Finnland dafür, dass die Türkei ihren Widerstand gegen  deren Beitritt zur Nato aufgegeben hat? Dazu gab es gestern diverse Stellungnahmen – und es gibt einige, die den Preis zu hoch finden. Wie sich das neue Abkommen praktisch auswirkt, wird sich bald zeigen: Die Türkei möchte 21 Personen aus Schweden und 12 aus Finnland ausgeliefert haben.

Unterzeichnung des Abkommens, vorne von links die Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, Türkei, Pekka Haavisto Finnland und Ann Linde, Schweden. Hinten von links Jens Stoltenberg, Recep Tayyip,Sauli Niinistö und Magdalena Andersson. Foto NATO

Hauptkritikpunkt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan war stets, die beiden Nord-Länder würden „Terroristen“ unterstützen. Im Abkommen, das nun geschlossen wurde, ist folgendes festgelegt:

Finnland und Schweden bestätigen, dass PKK eine terroristische Gruppierung ist. Die PKK war allerdings vorher schon verboten in Schweden und Finnland. Die Frage wird sein, wie eng die Länder mögliche Verbindungen zukünftig auslegen.

Finnland und Schweden bestätigen, dass sie nicht die kurdischen YPG/PYD in Syrien sowie nicht die türkische Organisation FETÖ unterstützen. Letztere wird von Erdogan für den Putschversuch 2016 verantwortlich gemacht. Verboten oder als terroristisch klassifiziert werden diese Organisationen allerdings nicht. Und Nato-Länder kooperierten mit YPG/PYD im Kampf gegen den IS.

Gegen das Abkommen mit Kakabaveh

Hier wird es kompliziert. Schwedens Außenministerin Ann Linde beschreibt es gegenüber Aftonbladet so:“Es geht darum, dass wir sie nicht mit etwas unterstützen sollen, das direkt die Sicherheit der Türkei bedrohen kann, das heißt Waffen, Geld und so weiter. Das tun wir heute auch nicht, und jetzt ist es festgeschrieben.“

Es gab allerdings eine Vereinbarung der regierenden Sozialdemokraten mit der unabhängigen linken Politikerin Amineh Kakabaveh, die eine Unterstützung der  YPG/PYD vorsah. So sicherte sich Premierministerin Magdalena Andersson ihre Wahl. Und nachdem das Abkommen bestätigt wurde, rettete Kakabaveh auch den sozialdemokratischen Justizminister vor dem Misstrauensvotum. Das ist gerade erst drei Wochen her. Ann Linde verweist darauf, dass das Abkommen nur bis zum Ende der Legislaturperiode gelte. Was aus dem Abkommen werde, müsse die Partei entscheiden. Tatsächlich hat die letzte Sitzung des Parlamentes vor der Sommerpause bereits stattgefunden, und am 11. September wird gewählt. Erst danach wird das Parlament wieder zusammenkommen – und dem neuen wird Kakabaveh als inzwischen Parteilose aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr angehören.

Kakabaveh selbst  ist entsetzt über die Zugeständnisse an Erdogan und sieht diese als Bruch des Abkommens . Sie drohte bereits mit einem Misstrauensvotum gegen Ann Linde. Dafür bräuchte sie allerdings Mitstreiter.

Ende des Waffenembargos

Finnland und Schweden erklären sich bereit, ihr Waffenembargo gegen den zukünftigen Nato-Alliierten Türkei aufzuheben. Das Embargo war eingeführt worden, nachdem türkische Truppen in kurdisch-Syrien einmarschiert waren.

Erdogans neue Auslieferungswünsche

Schweden und Finnland sind nun offiziell eingeladen, der Nato beizutreten, dies muss aber noch von den Parlamenten der Mitgliedsländer bestätigt werden. Bei den Verhandlungen mit der Türkei steht auch schon die nächste Hürde an: 33 Auslieferungswünsche an Finnland und Schweden. „Wir folgen schwedischen Gesetzen und internationalem Recht. Betreibt man keine terroristischen Aktivitäten, hat man nichts zu befürchten“, sagte Magdalena Andersson zur Presse. Viele Kurden in Schweden, aber auch in Finnland, sind davon nicht ganz so überzeugt, wie die Reaktionen in den Medien zeigen. (Update dazu 10.15 Uhr).

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