Grönland: Opfer der Spiralenkampagne klagen auf Entschädigung

Grönland. Vergangenes Jahr wurde öffentlich bekannt, dass grönländische Frauen Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre massenhaft die Spirale eingesetzt bekamen – auch ganz junge Mädchen, ohne ablehnen zu können. Inzwischen gibt es eine Untersuchungskommission, die die Fakten dazu klären soll. Vielen Opfern dieser Spiralenkampagne dauert das zu lange: 67 Frauen fordern nun Schadensersatz vom dänischen Staat. Darüber berichteten DR und KNR.

Dorf

Familienleben in Grönland – nicht für alle. Foto Thomas Christiansen

Bekannt geworden war dieses dunkle Kapitel der dänisch-grönländischen Geschichte durch eine  Podcast-Serie des dänischen Rundfunks. Die inzwischen in Dänemark lebende Grönländerin Naja Lyberth war die erste, die über ihre unangenehmen Erlebnisse als Jugendliche sprach. Sie war erst 14 Jahre alt.  Die verwendeten Spiralen waren für so junge Mädchen ungeeignet. Viele hatten in der Folge Schmerzen und auch längerfristig gesundheitliche Schäden. Die Eltern wussten von nichts, und das Umfeld war so, dass die Schülerinnen nicht wagten, zu widersprechen.

Kinder verhüten als oberstes Programm

Die Spiralenkampagne war ein Programm, um insbesondere die Zahl nichtehelicher Geburten in Grönland zu senken. Wie inzwischen bekannt ist, legten einige Ärzte die damaligen Rechtsgrundlagen sehr frei aus. 4500 Grönländerinnen erhielten zwischen 1966 und 1970 die Spirale. Was für die einen ein Glück war, um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern, wurde für andere zur Qual und zum Hindernis für eine spätere Familiengründung.

Nicht auf das Ergebnis der Untersuchung warten

Im Mai wurde eine Kommission eingesetzt, die die „Spiralsag“, die Spiralensache, gründlich untersuchen soll. Diese Untersuchung braucht voraussichtlich Zeit bis 2025. So lange wollen Lyberth und 66 weitere Betroffene nicht warten. Sie fordern eine Entschädigung von 300 000 DKK pro Person, aktuell rund 40 000 Euro.

Vorbild: Frühere Prozesse

Vorbild für dieses Verfahren sind frühere Prozesse, die KNR in Erinnerung ruft:

  • Der dänische Staat wurde dazu verurteilt, eine Entschädigung an jene 116  Grönländer zahlen, die 1953 für den Bau der US-Militärbasis umgesiedelt wurden. Sie erhielten 1999 500 000 DKK pro Person. Das Urteil wurde 2003 vom Obersten Gericht bestätigt. 
  • 250 000 DKK erhielten im vergangenen Jahr die „Experimentkinder“, grönländische Kinder, die auf halblegale Weise nach Dänemark geschickt wurden, um dort Dänisch zu lernen. Die Kinder entfremdeten sich ihrer Familien, Sprache und Kultur, viele hatten später psychische Probleme oder brachten sich um. Die sechs Überlebenden erhielten auch eine Entschuldigung der dänischen Premierministerin Mette Frederiksen.
  • Die „juristisch Vaterlosen“ kämpfen noch um Anerkennung. Dabei handelt es sich um 26 Kinder von grönländischen Frauen in den 50er und 60er Jahren, bei denen die Väter später wieder nach Dänemark oder ins Ausland verschwanden, und die nach der damaligen Gesetzeslage kein Recht hatten, etwas über ihre biologischen Väter zu erfahren.


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