Urteil zu Fregattenunglück – Frage nach Verantwortung bleibt

Norwegen. Im November 2018 kollidierte die norwegische Fregatte Helge Ingstad im Hjeltefjorden mit einem Tanker und sank. Es gab Verletzte, aber keine Toten. Gestern wurde nun ein inzwischen 33-jähriger Wachoffizier dafür zu 60 Tagen Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Darüber berichtete NRK. Doch die Diskussion über die eigentliche Verantwortung zog sich durch den Prozess und wird nicht mit dem Urteil enden.

Helge Ingstad

Die Fregatte KNM Helge Ingstad 2018 . Foto Jakob Østheim/ Forsvaret

Ein Kriegsschiff mit allen technischen Finessen, auf der Rückkehr vom Manöver Trident Juncture, kollidiert mit einem mehr als gut beleuchteten Tanker, der gerade abgelegt hat, in einem von einer Verkehrszentrale überwachten Gewässer. Wie konnte es dazu kommen? Mehrere Untersuchungen und eine Gerichtsverhandlung später ist  ein Geflecht von folgenreichen Unterlassungen und unglücklichen Fehlentscheidungen ans Licht gekommen. Die Hauptpunkte daraus:

  • Das Team auf der Brücke war relativ jung und unerfahren. Es ist in der Dunkelheit manchmal tatsächlich nicht einfach, beleuchtete Objekte richtig zuzuordnen. Eine erfahrenere Person hätte den Denkfehler, dem die  Crew aufgesessen war – sie glaubten, die Lichter des Tankers TS Sola stünden an Land – vielleicht schneller entlarvt. Oder zumindest Verdacht geschöpft, dass etwas nicht stimmt, und genauer hingesehen – nicht erst beim letzten Warnschrei des Tankers. Dieser hatte sein Ablegen vom Terminal und seinen Kurs vorschriftsmäßig über Funk gemeldet. Das hätte jemand auf der Brücke der Fregatte wahrnehmen und die möglichen Folgen für den eigenen Kurs berücksichtigen müssen.
  • Die Fregatte Helge Ingstad fuhr mit abgeschaltetem AIS, was zulässig war. Aber die Verkehrsleitzentrale Fedje hatte die Fregatte auch noch „vergessen“. Diese hatte sich zwar bei der Zentrale angemeldet, aber zu früh. Da hatte sie das überwachte Gebiet noch gar nicht erreicht. Deshalb wurde sie nicht „mitgeplottet“ wie sonst üblich. Als die TS Sola nach dem Schiff fragte, das ohne AIS fuhr, war die Zentrale nicht orientiert – die schnelle Fregatte ohne AIS war einfach vergessen worden. Das kostete Zeit.

Der nun verurteilte Wachchef, heute 33 Jahre alt, hat sicher Fehler gemacht, aber nicht als Einziger. Selbst der heutige Chef der norwegischen Seestreitkräfte, Rune Andersen, verweist auf einen Systemfehler. Vor dem Prozess gegen den Wachchef hatte das Verteidigungsministerium bereits eine Strafzahlung von 10 Millionen NOK akzeptiert, auch wenn die Erklärungen nun auseinandergehen, warum: Weil man die Strafe für den Angestellten übernimmt, oder weil man den Systemfehler einsieht? Tatsächlich waren die Anforderungen für Beförderungen aus Personalmangel abgesenkt worden, sie wurden nun wieder hochgeschraubt.

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