Fregatten-Kollision: Bericht der Havariekommission mit Überraschungen

Norwegen. Die norwegische Havariekommission hat gestern einen ersten, vorläufigen Bericht zur Kollision zwischen der Fregatte KNM Helge Ingstad und dem Tanker Sola TS vorgelegt. Zwei Aspekte waren dabei überraschend: Die Besatzung der Fregatte hatte den Tanker offenbar nicht als fahrendes Schiff wahrgenommen. Und die Fregatte war deshalb so schnell gesunken, weil sie einen Konstruktions- oder Baufehler hatte. (Update dazu am Ende)

Helge Ingstad

Von der Fregatte KNM Helge Ingstad ist nicht mehr viel zu sehen. Foto Jakob Østheim/ Forsvaret

Seit der folgenschweren Kollision am 8. November im Hjeltefjorden rätselte die Öffentlichkeit in Norwegen darüber, wie so etwas passieren konnte: Eine mit modernster Technik ausgestattete Fregatte fährt mit rund 17 Knoten  und trotz Vorwarnung direkt auf einen vollbeladenen Tanker und wird dabei so schwer beschädigt, dass sie im Flachwasser auf Grund gesetzt werden muss. Acht Besatzungsmitglieder der Fregatte wurden leicht verletzt. Der Tanker hielt, zu einer größeren Umweltkatastrophe kam es glücklicherweise nicht. Doch das teure Kriegsschiff liegt auf Grund, bis heute. Schwierige Bedingungen und schlechtes Wetter machen die Bergung mühsam.

Der Verteidigungsminister hatte stets auf die Ermittlungsarbeit der Havariekommission verwiesen, von Seiten der Marine hatte es praktisch keine Informationen gegeben außer dem Offensichtlichen. Die norwegischen Medien waren allerdings fleißig: Sie sammelten Aussagen von Besetzungen anderer Schiffe in der Nähe, und VG gelang es sogar, an das Audioprotokoll des Funkverkehrs zu kommen. Eine richtige  Erklärung war darin jedoch nicht zu finden.

Havariekommission: Nicht nur eine Ursache

Die Havariekommission (Statens Havarikommisjon for Transport) stellte nun in ihrem ersten, vorläufigen Bericht zunächst den rekonstruierten Verlauf vor.  Die Ermittler hatten dazu die technischen Aufzeichnungen ausgewertet und mit der Verkehrszentrale und dem Brückenpersonal der beiden Schiffe gesprochen. In der vorläufigen Analyse kommen sie zu dem Schluss, dass „nicht eine einzelne Handlung oder ein Ereignis zum Unglück führte, sondern dass eine Reihe verketteter Faktoren und Umstände die Ursache waren“. Diese sollen nun noch weiter untersucht werden.

Luftbild Fregatte

Damit sie nicht komplett sinkt, wurde die Fregatte ans flache Ufer geschleppt. Foto Kystverket

Neu ist daran vor allem, wie der Tanker aus Sicht der Fregatte offenbar wahrgenommen wurde. Bei der guten Sicht in dieser Nacht war er schon vor dem Ablegen vom Ölterminal zu sehen gewesen, aber offenbar nicht vom Kai zu unterscheiden. Nach dem Ablegen drehte er zunächst und war deshalb auch noch langsam. Zudem soll die Decksbeleuchtung noch angeschaltet gewesen sein, was es  erschwert habe, die Positionslichter wahrzunehmen. Die Besatzung der Fregatte hatte den hell erleuchteten Tanker offenbar für einen Teil des Terminals gehalten und war deshalb auch nicht wie aufgefordert ausgewichen – weil sie fürchtete, auf Land zu stoßen. Man war offenbar davon ausgegangen, mit einem der anderen Schiffe zu kommunizieren. Kurz vor dem Unfall hatte außerdem ein Wachwechsel stattgefunden.

Nun ist eine Fregatte allerdings nachts nicht allein auf die Sicht angewiesen. Der Bericht stellt auch fest, dass die Helge Ingstad zwar kein AIS-Signal aussendete, aber die der anderen empfing. Sola TS war darauf zu erkennen, zuletzt mit sieben Knoten, und hatte sich auch mit dem Namen per Funk gemeldet. Als der Irrtum der Fregatten-Besatzung klar wurde, war es bereits zu spät. Eine Kursänderung der Fregatte im letzten Augenblick und die Maschine rückwärts des Tankers halfen nicht mehr.

Wasserdichte Schotten waren nicht dicht

Helge Ingstad

Schäden an der Helge Ingstad. Foto Forsvaret/Kystverket

Dass die Helge Ingstad so schnell sank, hatte aber noch einen anderen Grund: Wie sich bei den Ermittlungen zeigte, waren die wasserdichten Schotten nicht wasserdicht. Durch die Kollision waren drei Abteilungen beschädigt worden. Durch eine hohle Propellerwelle konnte sich das eindringende Wasser aber offenbar auch in andere Abteilungen ausbreiten. Die Havariekommission empfiehlt nun, zu untersuchen, ob dieses Problem auch bei anderem Schiffen vorkommt. Norwegen hat noch vier Fregatten desselben Typs. Angesprochen ist auch Navantia, ein auf Marineschiffbau spezialisiertes Unternehmen in Spanien und Konstrukteur der Helge Ingstad.

Ergänzung 5.12.: Ein ehemaliger Abteilungsleiter der norwegischen Seefahrtsbehörde nannte den vorläufigen Bericht bei NRK eine „peinliche Angelegenheit“ und einen Versuch der „Grauwaschung“ . Für ihn sind ganz klar auf der Fregatte zahlreiche Fehler gemacht worden. Angesicht ihrer technischen Möglichkeiten und des Funkverkehrs hätte sie niemals einen Tanker mit Land verwechseln dürfen, sie hätte ihre Fahrt reduzieren müssen, und sie hätte nach Steuerbord ausweichen müssen und nicht nach Backbord – dann wäre der Schaden wesentlich geringer gewesen.

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