Rovaniemi. Der Weihnachtsmann wohnt, wie jedes finnische Kind weiß, eigentlich am oder im Berg Korvatunturi. Das ist im äußersten Norden Finnlands an der Grenze zu Russland. So hat das schon vor Jahrzehnten „Onkel Markus“ im finnischen Radio erzählt, und so hat es auch Mauri Kunnas in seinem berühmten Kinderbuch „Wo der Weihnachtsmann wohnt“ gemalt.
Weil das dort aber so unwegsam ist und außerdem geheim bleiben soll, hat der Weihnachtsmann 1985 eine leichter zugängliche Filiale bei Rovaniemi aufgebaut, der 63.000-Einwohner-Hauptstadt von Finnisch Lappland. Das behauptet jedenfalls Visit Rovaniemi auf seiner Internetseite. Fakt ist: Man kann den Weihnachtsmann, finnisch Joulupukki, dort treffen und sogar Fotos mit ihm machen.
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Dänen und Grönländer mögen jetzt protestieren: Seit das dänische Fernsehen 1989 die Weihnachtsserie „Nissebanden i Grønland“ drehte, sind sie überzeugt davon, dass der Weihnachtsmann unter dem markanten Felsen in Uummannaq wohnt. Es steht selbstverständlich jedem frei, das eine, das andere, oder nichts davon zu glauben. Aber Fakt ist auch: Ungefähr eine halbe Million Menschen besucht jedes Jahr das Weihnachtsmann-Dorf acht Kilometer nördlich von Rovaniemis Zentrum.
Weihnachtsmann: Jeden Tag im Büro seit 1992
Seit 1992, so heißt es, sei der Weihnachtsmann dort jeden Tag in seinem Büro anzutreffen gewesen. Nun würde man ja doch gerne wissen: Wie viele unterschiedliche Köpfe stecken eigentlich unter dieser roten Mütze? Aber das wird nicht verraten. „Wir glauben hier alle an den Weihnachtsmann“ erklärt Sanna Kärkkäinen, Chefin von Visit Rovaniemi.
Der Joulupukki von Rovaniemi empfängt gern internationalen Besuch, egal welchen Alters und welcher Religion, und ist nett zu allen. Er versteht sich universell als Botschafter für Liebe und Frieden. Und in seinem Dorf darf jeder gratis herumbummeln. Aber irgendwie muss das Geld ja auch hereinkommen. Professionelle Bilder mit ihm kosten also, und man darf auch gerne selbst Geschenke in den angrenzenden Läden kaufen, etwas essen gehen oder an den im Umfeld angebotenen Aktivitäten teilnehmen. Sanna Kärkkäinen rechnet mit 1800 Vollzeitstellen im Jahr durch den Weihnachtsmann-Tourismus.
Die beste Jahreszeit zum Besuch dort ist natürlich der Winter, wenn die Lichter in der Dunkelheit richtig zur Geltung kommen und eine Schneedecke alles verzaubert. Reiseveranstalter verkaufen Nordfinnland als Paket aus Winter-Wonderland mit Weihnachten. Der Mann mit dem Rentierschlitten passt sich ganz natürlich ein in eine Region, wo Rentierzucht immer noch ein dominanter Wirtschaftszweig ist. Wem Schlittenfahren zu romantisch ist, der kann auch auf Skiern losziehen oder Schneescooter ausprobieren. Doch geöffnet ist das ganze Jahr, selbst im Sommer, wenn es in Rovaniemi rund um die Uhr hell ist und aller Schnee weggetaut. Der Weihnachtsmann macht keine Pause.
Unschlagbare Kombination: Weihnachtsmann und Polarkreis
Die erste Hütte im heutigen Weihnachtsmann-Dorf galt aber gar nicht dem Weihnachtsmann, sondern dem Polarkreis.
Die amerikanische Präsidentengattin Eleanor Roosevelt kam 1950 nach Rovaniemi, um den Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg zu besichtigen. Der Ort war damals fast komplett zerstört worden. Sie wollte auch zum Polarkreis, deshalb baute man dort in Windeseile diese erste Hütte, die noch heute steht und inzwischen recht bescheiden wirkt. Den Polarkreis überquert man jetzt zwischen stimmungsvoll beleuchteten Säulen, die sich harmonisch in die Weihnachtsdorf-Architektur einfügen. Man kann sich den Übertritt auch mit einer Urkunde bestätigen lassen. Dass der Weihnachtsmann ein Büro am Polarkreis hat: Wo denn sonst? Dass der Polarkreis jedes Jahr ein bisschen wandert, weil die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne eiert: geschenkt. Immerhin gibt es den Polarkreis wirklich.
Im Dezember ist Hochsaison
Rovaniemi nennt sich inzwischen „The official Hometown of Santa Claus“, und der Flughafen ist der offizielle Flughafen des Weihnachtsmannes. 2018 wurden 664.000 Übernachtungen gezählt, davon waren 66,9 Prozent Ausländer. Hochsaison ist im Dezember, wo Rovaniemi regelmäßig zum zweitgrößten Touristenziel Finnlands nach Helsinki wird.
Das Weihnachtsmann-Dorf ist zwar über die Roosevelt-Hütte hinausgewachsen, aber immer noch sehr überschaubar. Die Leute sind entspannt, die Gebäude niedrig, dazwischen spürt man immer noch die frische arktische Luft. Der Lichterschmuck verdrängt die winterliche Dunkelheit nur punktuell.
Next-Level-Santa?
Doch es gibt den Plan, die Weihnachtsdorf-Idee ein paar Kilometer weiter auf ein neues Level zu heben: die Weihnachtsmann-Republik, „Republic of Santa Claus„. Die Initiatoren haben mit der finnischen Forstbehörde einen Vorvertrag für ein riesiges Gelände unterzeichnet, 7.750 Hektar.
Die Ideen wirken wie die Umsetzung eines Kindheitstraums: Mal in einer Schnee-Glaskugel wohnen. Oder in einem Pfefferkuchenhaus. Oder in einem Hotel, das geformt ist wie ein riesiger beleuchteter Tannenbaum. Das Ganze kombiniert mit Wellness-Ideen, arktischem Super-Food (Beeren) und natürlich Liebe und Frieden, zumindest innerhalb der Grenzen der Republik. Eine Investition, die sich auch irgendwie refinanzieren muss: 10 Millionen Besucher sollen dort jährlich bedient werden können. Wie realistisch die Pläne sind, ist fraglich: Noch werden Geldgeber dafür gesucht. Und es gibt auch Stimmen, die das Projekt völlig überdimensioniert finden.
Keine Gefahr für das Original
Eine Bedrohung für das heutige Weihnachtsmann-Dorf sieht Sanna Kärkkäinen darin nicht: „Ich bin sicher, Reisende werden beides besuchen.“ Wenn das Projekt komme, werde die Region mit diesem Themenpark-Reiseziel aufgewertet. „Doch das Weihnachtsmann-Dorf bleibt das Herz der lebendigen Geschichte des Weihnachtsmannes!“
Was man ja auch noch gerne gewusst hätte: Wie ist diese beliebte Persönlichkeit denn so im täglichen Umgang? Sanna Kärkkäinen verrät es: „Man kann gut mit ihm arbeiten. Ich habe ihn auf Kurzwahltaste 1 – ich rufe ihn öfter an als meine Mutter!“
Dezember 2019. Text und Fotos Andrea Seliger, außer wo anders angegeben
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