Wann fällt die Entscheidung zur Erzgrube in Kallak?

Jokkmokk (Schweden). Seit zwei Jahren hat die Regierung in Stockholm einen Antrag auf Erzabbau in der Kommune Jokkmokk auf dem Tisch liegen. Das Vorhaben in Kallak ist vermutlich zumindest in puncto Umwelt das umstrittenste in ganz Schweden. Der Riksdag-Abgeordnete Mattias Karlsson von den Moderaten (M) hat die Regierung nun wegen der Verzögerung des Themas dem KU (Konstitutionsutskott, Kontrollgremium) gemeldet. Darüber berichtete SVT.

Luleälv mit Ren

Nördlich von Jokkmokk, im Hintergrund der Luleälv

Der M-Abgeordnete Mattias Karlsson kommt aus Luleå und ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Abgeordneten der Schwedendemokraten aus Südschweden. M-Karlsson hofft, dass seine Aktion die Regierung dazu bringt, endlich eine Entscheidung zu treffen. Ein solcher Umgang mit einem Antragsteller gefährde die Spitzenposition und den guten Ruf Schwedens in der Bergbaubranche. Gegenüber SVT vermutet er, dass es deshalb so lange dauere, weil die Sozialdemokraten das Projekt genehmigen würden, Koalitionspartner Miljöpartiet aber nicht.

Naturschutz und Rentiere contra Jobs

Mit seiner Analyse könnte Karlsson richtig liegen, und die Regierung wird Kritik bekommen, egal, wie sie entscheidet. Hinter dem Projekt steht das britische Unternehmen Beowulf Mining. Es wurden 2013 Probebohrungen vor Ort durchgeführt, gegen die es massive Proteste und Blockaden gab. Umweltschützer stellen sich gegen das Projekt, weil es Wald vernichtet und den Fluss (Luleälv) gefährdet. Die Städte Luleå und Boden beziehen ihr Trinkwasser aus dem Fluss. Für die samischen Rentierhalter ist es außerdem die Vernichtung eines wichtigen Zugkorridors, zu dem es keine Alternative gibt.

Kallak

Kallak und Welterbe Laponia. Bahnverlauf nur schematisch dargestellt. Karte mit Hilfe von stepmap.

Der Antragsteller wirbt dagegen mit Jobs in einer Inlandskommune, aus der die Menschen abwandern, und hat damit einen Teil der Lokalbevölkerung und der Ortspolitik auf seiner Seite. Erinnerungen an die massiven Proteste wurden im vergangenen Sommer wachgerufen, als die Organisation Rainbow Gathering in Kallak ein Zeltlager abhielt. In Jokkmokk wurde das ganz unterschiedlich aufgenommen – die einen freuten sich über mehr Umsatz in den Geschäften, die Waldbesitzer erstatteten Anzeige.

Während die Bergbaubehörde den Antrag befürwortet, hat die Regionsverwaltung (Länsstyrelsen) Norrbotten abgelehnt. Unter anderem deshalb, weil das Erzvorkommen nur für eine vergleichsweise kurze Betriebszeit reichen soll. Der Schaden an der Natur sei damit nicht zu rechtfertigen. Ein weiteres Problem war der Abtransport des Erzes. Deshalb liegt der Antrag nun in Stockholm.

Vor der Entscheidung: Warten und Drängen

Beowulf versucht inzwischen, mit Spenden an lokale Organisationen gute Stimmung für sich in Jokkmokk zu machen, berichtet SVT. Und vergangene Woche erst wurde gemeldet, der Beowulf-Chef verlange ein Gespräch mit dem neuen Wirtschaftsminister. Nun verlangen allerdings auch die beiden betroffenen Samebyar Sirges und Jåhkågasska (Rentierhalterkooperativen)  ein Gespräch mit dem Minister.

Dass die Entscheidung viel zu lange dauert, darin sind sich vermutlich alle einer Meinung. Nicht aber darin, wie diese aussehen soll.

Straße Kallak

Straße von Jokkmokk nach Kallak. Bahn frei für den Erztransporter?

Beowulf gibt auf seiner Webseite an, in Kallak seien insgesamt 118,5 Millionen Tonnen Erz zu holen, plus 33,8 Millionen Tonnen mögliche Reserve. Dieses Erz verteilt sich allerdings auf drei Erzkörper. Die Konzentration ist geringer als beispielsweise bei Kaunis Iron in Pajala. Und LKAB baut allein in Kiruna 27,3  Millionen Tonnen Roherz jährlich ab. Die Stahlschmieden dieser Welt werden also nicht leer laufen, nur weil das Erz in Kallak im Boden bleibt.  Ob der Abbau überhaupt wirtschaftlich wäre angesichts der notwendigen Investitionen, ist zu bezweifeln: Es hat sicher seinen Grund, warum sich noch keiner der schwedischen Bergbauriesen wie LKAB und Boliden darauf gestürzt hat, denn das Vorkommen ist seit langem bekannt.

Der Trend geht zur automatisierten Grube

Bleibt das Arbeitsplatz-Argument. Der schwedische Journalist Arne Müller hat sich die Mühe gemacht, Großprojekte in Norrland daraufhin zu untersuchen, wie viele Arbeitsplätze dadurch tatsächlich dauerhaft entstanden („Norrlandsparadoxen“, 2015). Sein Fazit war ernüchternd. Zudem wies er darauf hin, das gerade die Grubenindustrie zu denen gehört, die am schnellsten automatisiert werden. Tatsächlich arbeitet LKAB bereits auf die „Grube ohne Menschen“ hin. Beowulf verspricht 250 direkte und 300 indirekte Arbeitsplätze sogar über 25 Jahre – das dürfte deutlich zu hoch sein. Und nicht mitgerechnet sind all jene Arbeitsplatzverluste, die entstehen, weil Touristen auf dem Weg zum Welterbe Laponia nicht durch die Kraterlandschaft eines offenen Tagebaus und seiner Abraumhalden fahren wollen.

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