Grönland. Wann war Grönland zuletzt eisfrei – und wie sah das damals aus? Dazu gibt es jetzt neue Anhaltspunkte. Ein vergessener Bohrkern aus den 1960er Jahren, der Jahrzehnte in einem dänischen Gefrierschrank lagerte, verrät: Mindestens einmal im Laufe der letzten Millionen Jahre war das Inlandeis praktisch komplett abgeschmolzen und es wuchsen Pflanzen dort. Die Auswertung erschien nun in einer neuen Studie in PNAS.
Die Geschichte des Bohrkerns ist bereits abenteuerlich. Gezogen wurde er von amerikanischen Wissenschaftlern im Camp Century in den 1960er Jahren – dem berüchtigten Camp in Nordgrönland mit Atomreaktor, das eine Raketenbasis werden sollte. Die Wissenschaftler hatten nicht nur 1,4 Kilometer durch den Eisschild gebohrt, sondern auch noch ein Stück darunter. Dieses Stück grönländischer Boden war damals nicht weiter interessant. Der Bohrkern wurde später in Kopenhagen gelagert.
Überraschender Fund in Kopenhagen
Beim Umzug in neue Räumlichkeiten fiel das Material auf, das mit „Camp Century sub-ice“ beschriftet war. Die dänischen Glaziologen wurden neugierig und nahmen Kontakt mit Spezialisten für die Altersmessung historischer Landschaften auf. Beim Auftauen zeigte sich, dass in dem Sediment fossile Pflanzenreste enthalten waren – Blätter und Zweige, sogar mit bloßem Auge zu erkennen. Unter Federführung der Universität Vermont arbeitete ein multinationales Team daran, den historischen Proben mit heutigen Methoden ihre Geheimnisse zu entlocken. So lässt sich beispielsweise anhand von Aluminium- und Beryllium-Isotopen im Quarz nachweisen, wie sehr diese direkter kosmischer Strahlung ausgesetzt waren, also nicht unter Eisschichten verborgen. Das Ergebnis stützt die bisherigen Theorien, dass Grönland im Laufe der letzten Million Jahre mindestens einmal eisfrei war. Es gab dort Moos, möglicherweise sogar Bäume. Unterhalb von Camp Century waren die Pflanzenreste zudem in einer günstigen Position von frischem Eis festgefroren und nicht vom Gletscher zermalmt worden.
Fazit: Das Inlandeis reagiert empfindlich
Die schlechte Nachricht dabei formuliert Co-Autor Paul Bierman in einem Video (siehe unten): Das Ergebnis unterstreiche, wie empfindlich das grönländische Inlandeis sei. Das Eis sei abgeschmolzen zu Zeiten, als die Treibhausgase noch auf einem viel geringeren Niveau waren als heute. Nun käme die menschengemachte Erderwärmung noch dazu. Ein Abschmelzen des Inlandeises hätte jedoch einen höheren Meeresspiegel zur Folge und damit massive Auswirkungen auf die Küstenstädte.
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Video zum Fund (Kooperation diverser Institutionen)