Grönland. Die Geschichte um Camp Century könnte ein Kinofilm sein: Kalter Krieg, eine geheime amerikanische Militärbasis versteckt im grönländischen Inlandeis. Mittendrin: ein Däne mit geheimem Auftrag. Die grönländische Post hat nun sogar eine Briefmarke zu Camp Century herausgegeben.
„Øde Stationer“ heißt die Serie, mit der die grönländische Post nun die Geschichte auf Briefe bringt. Sie arbeitet dazu mit Grönlands Nationalmuseum und Archiv zusammen, wie Sermitsiaq.AG berichtet. Und bewies damit ein gutes Gefühl für den richtigen Moment, denn Camp Century, die 1966 aufgegebene Basis mit dem mobilen Atomreaktor, ist gerade wieder in der Diskussion. Für Aufsehen sorgte eine Serie des Dänischen Radios, in der ein gewisser Erik Jørgen–Jensen eine zentrale Rolle spielte. Er war von 1960 bis 1963 Dänemarks Mann vor Ort und sollte Augen und Ohren offen halten – natürlich geheim. Die dänische Öffentlichkeit wusste nichts von Camp Century. Erik Jørgen–Jensen, heute 83, sprach zum ersten Mal über seinen Auftrag und seine Erlebnisse. Ende vergangenen Jahres war außerdem ein Buch zu Camp Century erschienen, Camp Century – Koldkrigsbyen under Grønlands indlandsis. Es berichtet unter anderem vom Balanceakt Dänemarks zwischen der Anti-Atom-Stimmung zuhause und den Wünschen der USA im Kalten Krieg.
Camp Century, etwa 250 Kilometer von der kurz zuvor eingerichteten amerikanischen Thule Air Base entfernt, war als Forschungsstation angekündigt, daher stammt auch der erste Eisbohrkern des grönländischen Inlandeises. Das eigentliche Ziel war jedoch, im Eis Abschussrampen für 600 Atomraketen mit dem Ziel Sowjetunion anzulegen – das Projekt Iceworm. Dänemark wusste davon nichts. Erik Jørgen–Jensen fand einen Eingang mit Schienen, bekam die Erklärung dafür aber erst später. Das Projekt wurde schließlich verworfen, weil das Eis sich zu sehr bewegte.
Ein Film des amerikanischen Militärs zeigt, wie Camp Century aufgebaut wurde. Angepriesen wird dabei die effiziente Infrastruktur dieser „Stadt unter dem Eis“ für bis zu 200 Menschen, versorgt mit besagtem mobilen Atomreaktor. Erik Jørgen–Jensen berichtet im Radio-Interview von der Realität: Der für den Reaktor zuständige Ingenieur sei an Strahlenkrankheit gestorben. Die Reporter machten auch einen Amerikaner ausfindig, der bestätigt, dass die radioaktive Strahlung nach außen höher war als zuvor berechnet.
Beim Abzug 1966 wurde der Reaktor mitgenommen. Andere Reste sind noch vor Ort, liegen aber inzwischen unter 30 bis 95 Metern Eis. Doch angesichts der steigenden Temperaturen könnten sie, so hat es zumindest der Wissenschaftler William Colgan berechnet, gegen Ende dieses Jahrhunderts wieder ans Tageslicht kommen. Dabei geht es um 9200 Tonnen Abfall und Schrott, 200 000 Liter Diesel und PCB (krebserregende Chlorverbindungen), gefrorenes Abwasser sowie gefrorenes, leicht radioaktives Wasser aus dem Reaktor.
Wer für die Entsorgung aufkommt, interessiert vor allem das heute autonome Grönland. Die dänische Regierung hat Grönland dafür bereits Geld zugesichert. Inzwischen ist dort eine Messstation eingerichtet. Ob die Rechnung nicht doch an den Verursacher geht, wird gerade geprüft und hängt davon ab, welche Zusicherungen Dänemark den USA damals gemacht hat. Klar ist bereits, dass das dänische Atomforschungszentrum damals zugestimmt hatte, das leicht radioaktive Wasser im Eis zu entsorgen, wie KNR vergangenes Jahr berichtete.