Schwimmendes Atomkraftwerk unterwegs nach Murmansk

Nordeuropa. Noch befindet sich keine Brennstäbe im Reaktor der Akademik Lomonosow. Das erste schwimmende Atomkraftwerk der Welt wird seit gestern von Schleppern über die Ostsee gezogen. In Murmansk soll es die Ladung für seinen zukünftigen Einsatz auf der Tschuktschen-Halbinsel erhalten. Greenpeace warnt vor einem „Tschernobyl auf Eis“.

Akademik Lomonosow

Akademik Lomonosow. Foto Rosatom

Der ungewöhnliche Schleppverband startete am Samstagmorgen in St. Petersburg. Über estnische, schwedische und dänische Gewässer geht es aus der Ostsee heraus und dann die norwegische Küste entlang. Nach Angaben von Bauherr Rosatom, Russlands staateigenem Atomkonzern, wird der Fahrzeugverband bei günstigen Bedingungen voraussichtlich eine Geschwindigkeit von 3,5 bis 4,5 Knoten haben. Es wird also eine Weile dauern, bis er sein Etappenziel erreicht – grob gemessen beträgt die Entfernung 4500 Kilometer oder umgerechnet 2430 Seemeilen.

Karte Etappe 2

Etappe 2: Weg der Akademik Lomonosow durch die Nordostpassage zum Ziel, als funktionsbereites Atomkraftwerk. Karte mit Hilfe von stepmap, nur schematische Darstellung

Das ist allerdings noch nichts gegen das, was dann kommen soll. Bei Rosatomflot in Murmansk wird der Reaktor  beladen und getestet. Und mitsamt der radioaktiven Fracht soll es dann durch die Nordostpassage rund 5000 Kilometer weiter nach Pewek gehen, einem Ort mit etwa 4500 Einwohnern mit Hafen auf der Tschuktschen-Halbinsel. Einen eigenen Antrieb hat die Akademik Lomonosow nicht, sie muss wieder geschleppt werden. Will man tatsächlich schon im Juni 2019 starten, so die Informationen des Barents Observer zu Jahresbeginn, gäbe es unterwegs noch eine Menge Eis.

In Pewek soll das mobile Atomkraftwerk dann ans Netz der Stadt angeschlossen werden und dort Energie einspeisen. An Bord sind zwei  KLT-40S (Druckwasser-)Reaktoren, die laut Rosatom bis zu 70 Megawatt Strom und 50 Gigakalorie Wärme pro Stunde erzeugen können und damit die Menschen in der ganzen Region sowie die Industrie versorgen. Das weiter südlich liegende Atomkraftwerk Bilibino soll dann vom Netz genommen werden, auch ein altes Kohlekreftwerk soll dann überflüssig werden. Rosatom verweist darauf, dass die Konstruktion von der IAEA (International Atomic Energy Agency) geprüft und genehmigt wurde.

Greenpeace warnt vor „Tschernobyl auf Eis“

Karte Etappe 1

Etappe 1: Weg der Akademik Lomonosow, noch ohne nukleare Ladung. Karte mit Hilfe von stepmap, nur schematische Darstellung.

Das Projekt ist aus mehreren Gründen umstritten. Ursprünglich war geplant, die Akademik Lomonosow bereits in St. Petersburg voll auszurüsten, zu testen und dann Richtung Norden zu transportieren. Dagegen liefen russische Bürger, internationale Umweltorganisationen und auch die Transitländer, insbesondere Norwegen, Sturm. Daraufhin änderte Rosatom die Pläne. Die endgültige Ausrüstung soll erst in Murmansk geschehen. Das nukleare Material wird per Bahn nach Murmansk gebracht. 

Doch es bleibt die Gefahr der nuklearen Verseuchung durch einen Unfall in Murmansk, auf dem Rest der Strecke und am Einsatzort. Greenpeace warnte am jüngsten Tschernobyl-Jahrestag, mit dem schwimmenden Atomkraftwerk in der Arktis drohe ein „Tschernobyl auf Eis„. Atomreaktoren, die auf dem arktischen Ozean herumschaukelten, bildeten außerdem eine ziemlich offensichtlichen Bedrohung für eine fragile Umwelt, die bereits durch den Klimawandel unter enormem Druck sei, so Greenpeace-Atomexperte Jan Haverkamp.

Und für Heinz Smital, ebenfalls von Greenpeace, ist die Nachricht doppelt fatal: „Die Risikotechnologie Atomenergie wird auf einem Schiff noch unsicherer, und sie soll genutzt werden, um mehr klimaschädliche Öl- und Gasvorkommen in der Arktis auszubeuten.“ Dazu kommt, dass Rosatom das Modell gerne auch international verkaufen würde – und dass es bereits Interessenten dafür gibt. „Die schwimmenden Atomkraftwerke werden voraussichtlich vor allem nahe der Küste und in flachem Wasser eingesetzt werden.  Der flache Rumpf und der fehlende eigene Antrieb des schwimmenden Atomkraftwerks sorgen dafür, dass es bei Tsunamis und Wirbelstürmen besonders gefährdet ist, so Haverkamp.

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