Flüssiggas auf der Nordostpassage – dank Klimawandel

Sabetta. Die ersten Ladungen sind schon am Ziel. Seit gut einem Monat ist die Flüssiggasanlage der russischen Firma Novatek auf der sibirischen Yamal-Halbinsel in Betrieb – auf 71° 16 ‚ Nord und 72°4‘ Ost. Abtransportiert wird das begehrte Produkt mit Tankern durch die Nordostpassage – die Klimaerwärmung macht’s möglich. Darüber berichtete der Barents Observer.

Sabetta

Der Hafen Sabetta liegt auf der Halbinsel
Yamal im Autonomen Bezirk Yamal-Nenetz.
Karte mit Hilfe von stepmap.

Rund 5,5 Millionen Tonnen Flüssiggas (LNG) jährlich soll das Werk in der ersten Ausbaustufe laut Pressemitteilung von Novatek produzieren. Zwei weitere sollen noch folgen, am Ende solle es bis zu 16,5 Millionen Tonnen jährlich sein.  Gebaut wird seit 2013. Wichtiger Teil des Projekts ist der neue  Hafen Sabetta direkt daneben – von dort aus geht der begehrte Energieträger zu den Kunden nach Ost und West. Die erste Ladung verließ den Hafen am 8. Dezember auf dem eigens für arktische Gebiete konstruierten Flüssiggastanker „Christophe de Margerie“.

Tanker mit Eisklasse

Das Schiff hatte im vergangenen Sommer bereits einen Rekord aufgestellt: Als erster  Tanker hatte die „Christophe de Margerie“ ohne Eisbrecher die Nordostpassage durchfahren. Für die Gesamtstrecke von Hammerfest in Nordnorwegen, wo  Flüssiggas geladen wurde, bis zum Ziel Südkorea benötigte das Schiff 19 Tage. Die eigentliche Nordostpassage von Nowaja Semlja bis Kap Deschnjow (Tschuktschen-Halbinsel) an der Beringstraße war in sechseinhalb Tagen abgehakt. Laut Betreiber Sovkomflot musste es sich dabei durch bis zu 1,2 Meter dicke Eisfelder brechen.

Seewege der Arktis

Seewege der Arktis. Karte Maximilian Dörrbecker, CC BY-SA 2.5

Die Nordostpassage, russisch Северный морской путь, Nördlicher Seeweg, wurde erstmals von einer Expedition des Finnlandschweden Adolf Erik Nordenskiöld 1878/79 komplett durchfahren. Er musste allerdings einmal überwintern. 1932 gelang dem Eisbrecher Alexander Sibirjakow die Durchquerung ohne Überwinterung. Das berüchtigte  Packeis auf dieser Route, das in der Vergangenheit immer wieder Schiffen den Weg versperrte oder sie zerquetschte,  ist inzwischen allerdings nicht mehr so dick wie früher. In manchen Jahren war sie schon eisfrei, und die Periode, in der sie schiffbar ist, wird länger.

Kürzer als durch den Suezkanal

Dieser nördliche Seeweg von Europa nach Asien ist deutlich kürzer als der durch den Suezkanal und weckt die Begehrlichkeiten der global ausgerichteten Wirtschaft. Wie High North News berichtet,  waren am 21. September 2017 insgesamt 109 Schiffe gleichzeitig auf dieser Route unterwegs, die meisten allerdings zu Zielen auf der Strecke. 24 Schiffe waren Transit unterwegs, 2016 waren es nur 19.  Laut Information der zuständigen russischen Behörde wurden insgesamt 662 Genehmigungen für die Passage erteilt, davon 107 an Schiffe mit ausländischer Flagge.  194 364 Tonnen Fracht gingen Transit.  9, 7 Millionen Tonnen Fracht kamen oder gingen in die Region. Damit setzt sich die steigende Tendenz der vergangenen Jahre fort. Auch die Materialien für den Anlagenbau und den Hafen in Sabetta wurden auf dem Seeweg transportiert. Und seit dem 8. Dezember also auch das Flüssiggas.

Christophe de Margerie

Christophe de Margerie. Foto Sovcomflot

Die Flüssiggasförderung Yamal LNG wird von der russischen Firma Novatek betrieben, beteiligt sind jedoch auch zu 20 Prozent die französische Total, zu 20 Prozent China National Petroleum Corporation sowie zu 9,9 Prozent der staatlich chinesische Silk Road Fund. Das Schiff „Christophe de Margerie“ ist nach dem frühere Total-Manager benannt, der eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung des Yamal-Projekts und der russisch-französischen Wirtschaftsbeziehungen allgemein spielte. Er starb 2014, als sein Flugzeug beim Start auf dem Moskauer Flughafen mit einem Schneepflug kollidierte. 15 weitere Schiffe dieses Typs sollen gebaut werden und möglichst ganzjährig Flüssiggas ausliefern.

Ein ungefährliches Seegebiet ist die Nordostpassage trotz schwindenden Eises nicht geworden. Nicht umsonst gibt es detaillierte Vorschriften, wann ein Schiff mit welcher Eisklasse die Route befahren darf, unter welchen Bedingungen es einen Eisbrecher mitnehmen (und bezahlen) muss und für wen die Passage komplett gesperrt bleibt. Umweltschützer sehen die Abkürzung durch die Arktis trotz der Streckenersparnis kritisch, denn dadurch  steigt die Gefahr von folgenschweren Unfällen in der besonders empfindlichen Region.

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