Schweden: „Mehr Atomkraft“ könnte teuer werden

Schweden. „Mehr Atomkraft“ war eine zentrale Wahlkampf-Forderung der vier Parteien, die heute für die Regierungspolitik in Schweden verantwortlich sind. Dass dies nicht so einfach und so billig wird wie gedacht, zeigt sich inzwischen: Ohne staatliche Unterstützung sind neue Atomkraftwerke nicht möglich, und der erwartete Strompreis daraus könnte fast doppelt so hoch liegen wie erwartet. Darüber berichteten Aftonbladet, Dagens industri und SVT.

Ringhals Vattenfall

Atomkraftwerk Ringhals an der schwedischen Westküste – potenziell auch der Ort für einen Neubau. Foto Vattenfall

Zur Umsetzung der Klimaziele setzt Schweden hauptsächlich auf Elektrifizierung. Insbesondere die Umstellung der Stahlproduktion von der alten Methode mit Kohle hin zu Wasserstoff und Lichtbogenofen könnte  rund 10 Prozent CO2-Ausstoss des Landes einsparen. Dazu braucht es allerdings mehr Strom. Aktuell ist Schweden großzügiger Exporteur und erzeugt rund 150-170 Terawattstunden im Jahr, doch der Überschuss würde nicht reichen.

Von „ohne Subventionen“ zu staatlicher Unterstützung

Die aktuellen Regierungsparteien Moderate, Christdemokraten und Liberale sowie die  Schwedendemokraten warben stets für Atomkraft als wirtschaftliche Alternative ohne Subventionen. Doch nicht einmal der staatseigene Konzern Vattenfall, so zeigt sich jetzt, ist bereit, Kosten und Risiko allein zu tragen – und auch eine zugesagte Kreditgarantie von 400 Milliarden SEK, umgerechnet 35,2 Milliarden Euro, würde dafür nicht ausreichen. Vattenfall-Chefin Anna Borg erklärte deutlich, ohne staatliche Unterstützung gebe es keine neue Atomkraft. Auf seiner Webseite erklärt Vattenfall das damit, dass man schließlich für einen Zeitraum von 100 Jahren plane, von den Entwürfen bis zur Rückabwicklung nach Jahrzehnten im Betrieb.

Beispiele Hinkley Point C und Olkiluoto 3

Inzwischen ist dies auch in der Regierung angekommen. Aftonbladet sieht die Erklärung für die Kehrtwende  in einer Reise der Vattenfall-Chefin mit Finanzministerin Elisabeth Svantesson zur britischen Atom-Baustelle Hinkley Point. Dort hat die britische Regierung unter anderem einen festen, subventionierten Strompreis für 35 Jahre zugesagt, um Kooperationpartner zu gewinnen. Die beiden Reaktoren von Hinkley Point sind Europäische Druckwasserreaktoren (EPR) wie das inzwischen fertiggestellte finnische AKW Olkiluoto 3. Olkiluoto 3 wurde mit 11 Milliarden Euro fast viermal so teuer wie geplant, die Fertigstellung verspätete sich um 14 Jahre. Die Kosten für die beiden Reaktoren von Hinkley Point wurden zuletzt mit 38 Milliarden Euro angegeben, gerade gibt es Streit um die Mehrkosten, und die Fertigstellung ist auf 2028 verschoben worden. 

Hoffnungen auf SMR bisher nicht erfüllt

Als Alternative zu großen Atomkraftwerken mit ausufernden Kosten und Bauzeiten werden immer wieder SMR (Small Modular Reactors) genannt, auch in Schweden. Von diesen erhofft man sich durch eine Serienfertigung geringere Kosten, doch bisher gibt es dafür kein real existierendes Beispiel. Ein Projekt in den USA, das ein Beispiel hätte werden sollen, wurde gerade wegen der erwarteten hohen Kosten gestoppt und nicht umgesetzt.

Preis für neue Atomkraft zu gering angesetzt?

Die jüngsten Zukunftsszenarien der schwedischen Energiebehörde rechnen noch mit einem Kilowattstundenpreis von 55-60 Öre (rund 5 Cent) für Atomstrom aus neuen Kraftwerken (Herstellungskosten, nicht Verbraucherpreis). Danach sieht es aktuell jedoch nicht aus: Nach den Preisauskünften von Lieferanten gegenüber Vattenfall würde der Strom aus neuen Atomkraftwerken bei 90-112 Öre (8-10 Cent) liegen, berichtet SVT. „Kostet Atomkraft eine Krone pro Kilowattstunde, sieht es nicht danach aus,  dass überhaupt neue Atomkraft gebaut wird“, so ein Abteilungsleiter der Energiebehörde zum Reporter. Die Preisauskünfte bezogen sich sowohl auf große als auch auf SMR-Reaktoren.

Die berechneten Zahlen decken sich mit den Erfahrungen der bestehenden sechs schwedischen Atomkraftwerke, die zeitweise Verluste einfahren, wie vergangenes Jahr SvD berichtete.

Damit bliebe vom „mehr Atomkraft“ noch eine Laufzeitverlängerung der noch aktiven Reaktoren. Wobei Forsmark 2 aufgrund eines technischen Problems nun schon seit Wochen mit halber Kraft fährt.

Früherer Artikel zum Thema: Schweden: Zwischenfall bei der Wartung im Atomkraftwerk Ringhals

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2 Antworten zu Schweden: „Mehr Atomkraft“ könnte teuer werden

  1. Georg Terwelp sagt:

    Rechenfehler: 55 Öre sind ca. 5 cent.

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