Norwegen: Einfluss im Sameting – attraktiv für zu viele Interessen?

Norwegen. Ob sich jemand selbst als Same bezeichnet oder nicht, mag klingen wie eine Privatsache. Ein Abgeordneter im Sameting hat jedoch eine gewisse Macht. Viele nutzen inzwischen die schwammigen Kriterien, um sich Einfluss im samischen Parlament zu verschaffen, auch Mitglieder der rechten Fremskrittspartiet.  Darüber berichtete NRK.

Norwegischer Sameting

Norwegischer Sameting in Karasjok. Foto Åse M.P. Pulk/Sámediggi

Der Sameting soll die Interessen der samischen Minderheit vertreten, insbesondere mit Blick auf die Kultur, die Sprache und den wichtigsten samischen Wirtschaftszweig, die Rentierhaltung. Er hat ein Mitspracherecht bei allen Projekten, die samische Interessen betreffen. In der Praxis ist die Trennlinie aber nicht immer scharf. Nicht alle Samen betreiben Rentierwirtschaft. Und nachdem der norwegische Staat lange eine „Norwegisierungspolitik“ betrieb, haben viele Nachkommen von Samen diese Sprache gar nicht gelernt. Die Kriterien, die zur Aufnahme in das Wählerverzeichnis berechtigen, sind deshalb durchaus großzügig:

1. Man sieht sich selbst als Same.

2. Man selbst, die Eltern, Großeltern ODER Urgroßeltern sprechen/sprachen zu Hause samisch. Kinder von Personen, die bereits im Wählerverzeichnis stehen, können das auch für sich beanspruchen.

Sameting attraktiv für Kommunalpolitiker

Bei der Einrichtung des Sametings 1989 standen rund 5500 Personen im samischen Wählerverzeichnis. Inzwischen sind es mehr als 20 000. Daraus lassen sich verschiedene Schlüsse ziehen. Zum einen wagen es heute mehr, zu ihrer samischen Identität offen zu stehen. Zum anderen ist das Gremium offenbar attraktiv für Leute, die etwas bewirken wollen. NRK rechnete nach: Etwa die Hälfte aller Kommunalpolitiker in der Finnmark stehen auch im Wählerverzeichnis zum Sameting – aber nur 16 Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Einer von diesen Kommunalpolitikern ist der Bürgermeister von Hammerfest, Mitglied der Arbeiderpartiet (Ap). Er hat tatsächlich samische Vorfahren, hatte sich aber bisher nicht dafür interessiert. Doch er engagiert sich, weil er auch die „andere“ Seite zu Gehör bringen will – er ist zum Beispiel für die Nussir -Grube, weil die gut für die Kommune sei.

Fragwürdige samische Identitäten

Auf die Idee, Wähler und Repräsentanten für den Sameting zu rekrutieren, kam auch Fremskrittspartiet – deren erklärtes eigentliches Ziel es ist, den Sameting komplett abzuschaffen. Nicht alle diese Leute, die sich daraufhin eintrugen, können tatsächlich sicher samische Vorfahren vorweisen und verstehen sich auch nicht als Same, wie sie NRK gegenüber erklärten. Tiefer nachgefragt wurde offenbar nicht.  Angesichts der großzügigen Kriterien, so vermutet Kulturwissenschaftler Ivar Bjørklund gegenüber NRK, könnten sich ohnehin drei Viertel der Bevölkerung der Finnmark mit Recht eintragen lassen. „Das eröffnet Möglichkeiten für eine politische Nutzung samischer Argumente, wie man es bei der Einrichtung des Wählerverzeichnisses vielleicht nicht beabsichtigt hatte,“ so Bjørklund.

Der Sameting wird sich nun mit der Frage befassen. Auch in Finnland gibt es die Diskussion darüber, wer eigentlich in den Sameting wählen darf. Die Behandlung einer Neuregelung fiel bisher Streit innerhalb der Regierung zum Opfer.

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Samische Wahrheitskommissionen in Norwegen, Finnland und Schweden

Hintergrund:

Sápmi – das Land der Samen

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