Können Raketenstarts im Norden zu Missverständnissen führen?

Norwegen/Schweden. Können Forschungsraketen aus Norwegen oder Schweden von Russland missverstanden werden und einen Atomkrieg provozieren? Der schwedische Raketenstartplatz Esrange in Kiruna verzichtet aktuell auf Raketenstarts, Andøya Space nicht. Wegen einer Nordlicht-Rakete von Andøya war die Welt allerdings 1995 einem Atomkrieg schon einmal kurzfristig sehr nahe.

Maxus 9 Esrange

Start einer Maxus 9 Rakete in Esrange, Kiruna. Foto Swedish Space Center

Mehrmals im Jahr werden normalerweise Forschungsraketen von den Startplätzen in Nordschweden und Nordnorwegen gestartet. Beide Plätze sind außerdem dabei, sich auf das Starten von Kleinsatelliten vorzubereiten. Esrange in Kiruna hat nun für Ende Februar und Anfang März  geplante Starts auf unbestimmte Zeit verschoben, mit Verweis auf die aktuelle Sicherheitslage in Europa. Esrange-Chef Lennart Poromaa formulierte es so gegenüber SVT: „Es könnte als Vorwand benutzt werden. Ich glaube nicht, dass man es missverstehen kann.“

Diese Sorgen scheint es bei Andøya Space in Norwegen nicht zu geben. Zwar sind aktuell keine Starts geplant. Später im Frühjahr sei allerdings der Start einer Forschungsrakete der Nasa vorgesehen, berichtet NRK. Dieser sei den russischen Behörden auch auf dem üblichen Weg angekündigt worden, und er sei auch weiter geplant.

Boris Jelzin vor dem Atomkoffer

Am 25. Januar 1995 wäre es beinahe schief gegangen. Die Meldung an die russischen Behörden war nicht an das russische Militär weitergegeben worden. Die dreistufige Nordlicht-Forschungsrakete von Andøya erschien in Russland auf dem Radar und wurde für eine amerikanische Atomrakete gehalten, abgefeuert aus einem U-Boot. Das Missverständnis klärte sich, als die Rakete ihren Höhepunkt erreicht hatte und in Richtung Wasser fiel, statt weiter nach Russland zu fliegen. Da soll der Atomkoffer aber schon vor dem russischen Präsidenten Boris Jelzin gestanden haben.  Der amerikanische CIA-Veteran Peter Pry schildert dies in seinem Buch „War Scare“. Jelzin soll gezögert haben, weil er nicht glauben konnte, dass die USA tatsächlich einen Atomkrieg starteten. Dieses Zögern rettete damals die Welt.

Von NRK befragt, hält Pry die Befürchtungen der Schweden für berechtigt: Die Dinge könnten sich wiederholen, die Rakete fehlinterpretiert werden.

Cold Response kurz vor dem Start

Nicht nur in der Luft kann es zu Fehlinterpretationen kommen. In Norwegen sammeln sich gerade Soldaten für das Nato-Manöver Cold Response 2022. Diese Übung fällt deutlich größer aus als frühere Auflagen. Insgesamt 30 000 Soldaten aus 27 Ländern nehmen daran teil, und es werden zwei Flugzeugträger erwartet. Russland wurde als Beobachter eingeladen, wie es das Wiener Dokument für vertrauensbildende Maßnahmen bei einer Übung dieser Größe vorschreibt.  Die Einladung wurde abgelehnt, allerdings ist die russische Nordflotte informiert – damit es nicht zu Missverständnissen kommt.

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