Kein Eis mehr im Sommer: „Regimewechsel“ in Südostgrönland

Grönland. Was würde passieren, wenn Südostgrönland im Sommer kaum noch Treibeis hätte? Diese Frage muss nicht mehr im Konjunktiv beantwortet werden, denn der Fall ist bereits eingetreten. Eine neue Studie zeigt: Narwale und Walrosse machen sich rar, neue Arten sind an der südgrönländischen Küste zu finden. Hauptautor Mads Peter Heide-Jørgensen vom grönländischen Naturinstitut spricht vom „Regimewechsel“.

Oströnland

Links: Meeresströme vor Ostgrönland. Rechts: Eiskarte vom August 1938. Quelle Heide-Jørgensen et.al., 2022

In der Vergangenheit kam das Treibeis mit dem kalten Ostgrönland-Strom bis in den Süden der großen arktischen Insel. Das Eis, das ankam, wurde an der Küste von Alaska gebildet und driftete dann mit der Strömung über den Arktischen Ozean. Die Eisbarriere verhinderte auch häufigere Anlandungen an dieser kaum besiedelten Küste. Doch in den vergangenen 20 Jahren sei im Sommer nur noch wenig oder gar kein Eis mehr nach Südgrönland gedriftet, so die Studie. Die Temperatur des Ostgrönland-Stroms  südlich von 73.5 N sei seit 1980 um mehr als 2 Grad wärmer geworden. Der warme Irminger-Strom, der warmes, salziges Atlantikwasser in die Region bringt, ist seit 1990 noch wärmer geworden.  Dadurch habe sich bereits der Fischbestand geändert.

Weniger Narwale, mehr Buckel- und Finnwale

Sichtbar sind die Veränderungen auch an der Spitze der Nahrungskette: Plötzlich sieht man viel mehr Buckel- und Finnwale, Orcas, Pilotwale und Delfine. 2012 wurde der erste Blauflossen-Thunfisch vor Ostgrönland gefangen. Fast verschwunden sind dagegen Walrosse und Narwale, die dem Eis angepasste arktische Megafauna,  die es dort früher gab. Zum Verschwinden des Narwals trug neben den Temperaturänderungen auch die Jagd bei, die nicht an die neuen Verhältnisse angepasst war.

Tipping Point für die Region

„Die südostgrönländischen Küsten- und Schelf-Ökosysteme haben einen neuen Zustand erreicht, wie er in dieser Region zumindest in den vergangenen 200 Jahren nicht vorgekommen ist“, stellen die Autoren fest. Es sei vermutlich ein kritischer Punkt erreicht, ein sogenannter Tipping Point. Wie umfangreich die Veränderungen im gesamten Nahrungsnetz sind, sei dabei noch gar nicht erforscht. Sie gehen davon aus, dass dies nur das erste Signal sei und auch an anderen Orten der Arktis geschehen werde.

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Eine Antwort zu Kein Eis mehr im Sommer: „Regimewechsel“ in Südostgrönland

  1. Georg Terwelp sagt:

    Das ist das hässliche an „Tipping Points“: Man kann sie erst erkennen, wenn sie schon stattgefunden haben oder überschritten sind. Mit unseren heutigen Kenntnissen sind sie praktisch nicht vorherzusagen. Die logische Folgerung wäre eigentlich, sich im Zweifelsfall immer sehr vorsichtig zu verhalten, um einen „TP“ nicht zu überschreiten. Wir machen aber genau das Gegenteil, immer fröhlich drauflos.
    Es macht mir Angst.
    Liebe Grüsse
    Georg

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