Grönland. Die Narwale in Südostgrönland sind in ihrem Bestand so sehr bedroht, dass sie noch in diesem Jahrzehnt verschwinden könnten – das fürchten grönländische Wissenschaftler, und so steht es auch im jüngsten Bericht der North Atlantic Marine Mammal Commission (NAMMCO). Lokale Fänger und die Regierung halten das für übertrieben. Doch wird nun Geld bereitgestellt, um eine gründliche Bestandsaufnahme durchzuführen.
Warnungen vor einem schrumpfenden Narwalbestand in Südostgrönland gab es schon vor zwei Jahren. Allerdings folgte die Regierung damals nicht den Empfehlungen der Wissenschaftler und ließ für die Lokalbevölkerung weiter Fangquoten zu. Inzwischen ist der Bestand laut dem aktuellen NAMMCO-Bericht noch weiter geschrumpft. Die Narwale in Südostgrönland, also dem bewohnten Teil der Ostküste, werden in drei Gruppen eingeteilt. Für den Bereich Ittoqqortoormiit geht man davon aus, das es noch um die 207 Tiere sind. Der Bereich um das ostgrönländische Kangerlussuaq wird auf 260 Tiere geschätzt. Bei Tasiilaq sollen es sogar nur noch um die 123 Narwale sein. In keinen der drei Bereiche sei noch nachhaltiger Fang möglich, so NAMMCO. Sonst drohe die Art lokal auszusterben. Die Bestände hätten aber gute Chancen, sich zu erholen, wenn man nu n keine Tiere mehr entnehme. Zum Bericht hat das grönländische Institut für Naturressourcen (Pinngortitaleriffik) beigetragen.
Fangquoten gegen wissenschaftlichen Rat
Die örtlichen Fänger unterstützen zwar teilweise die Wissenschaftler bei ihren Untersuchungen, kommen aber zu anderen Schlussfolgerungen. Und die Regierung hat bisher eher auf die Bedürfnisse der Fänger gehört als auf die Warnungen der Wissenschaftler – sowohl die alte als auch die neue. Im kommenden Jahr sollen in Ittoqqortoormiit 20, in Kangerlussuaq 15 und in Tasiilaq auch 15 Narwale erlegt werden dürfen.
Bestand schwer zu überblicken
Es ist nicht ganz einfach, den Bestand dieser Tiere im Blick zu behalten, und sehr aufwendig – man braucht Flugzeuge und Personal. Die Regierung will im kommenden Jahr eine Zählung des Bestandes finanzieren, um eine bessere Entscheidungsgrundlage zu haben. Dieser Schritt wird von den Wissenschaftlern begrüßt.
Narwale sind extrem lärmempfindlich
Es ist allerdings nicht nur die seit Jahrhunderten betriebene Jagd, die den Wal mit dem charakteristischen „Einhorn“ vor Südostgrönland im Gegensatz zu früher plötzlich in der Existenz bedroht. Eine Untersuchung des grönländischen Naturinstituts in Kooperation mit der Universität Kopenhagen zeigte, dass Narwale deutlich auf Lärm reagieren, der bis zu 30 Kilometer entfernt sein kann. Die Tiere jagen in der Tiefe des Meeres und orientieren sich stark am Schall. Stärkerer Schiffsverkehr aufgrund des seltener vorhandenen Eises könnte sie stressen und bei der Nahrungssuche stören. Die Wissenschaftler rufen deshalb zu bewusstem Lärmschutz auf. Von den Einheimischen wird auch das vermehrte Auftauchen von Orcas als Grund für den schrumpfenden Bestand genannt. Laut NAMMCO gibt es aber keine Beweise dafür, dass dies eine Rolle spiele.
Weltweit noch 70 000 bis 80 000 Narwale
Narwale gibt es auch bei Nordkanada, um Spitzbergen und in der russischen Arktis. Insgesamt soll es etwa 70 000 bis 80 000 Narwale geben, der globale Bestand gilt bisher nicht als gefährdet. Für Südostgrönland sieht NAMMCO jedoch eine Ende des Bestands bis 2028 mit einer Wahrscheinlichkeit von 62 Prozent (Tasiilaq) bis 74 Prozent (Ittoqqortoormiit), wenn dort weiter Narwale gejagt werden.
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