Nordost-Grönland: Abfluss aus Eisstrom bisher massiv unterschätzt

Grönland. Der Eisverlust durch den Nordostgrönländischen Eisstrom (NEGIS) ist bisher massiv unterschätzt worden. Er ist sechs Mal größer als früher angenommen, und selbst mehr als 100 Kilometer von der Mündung ins Meer ist das Eis inzwischen zwei bis drei Meter dünner als vor zehn Jahren. Das sind die Ergebnisse einer Studie, die gerade in Nature erschienen ist. Der größere Eisverlust bedeutet auch ein schnelleres Ansteigen des Meeresspiegels.

NEGIS

Lage der NEGIS-Mündungen in Nordost-Grönland. Karte sel/stepmap

Der grönländische Eisschild verliert an Masse auf zwei Wegen: Schmelzen bei Plusgraden und Kalben ins Meer. Beides sind zunächst natürliche Vorgänge im jahreszeitlichen Rhythmus. Neuschnee im Winter  „füllt nach“ und wird früher oder später zu Eis. Doch es ist lange her, dass sich Eisverlust und Zuwachs die Waage hielten.

Als Shfaqat Abbas Khan, Professor an der Technischen Universität Dänemark in Kopenhagen, die Messungen am NEGIS plante, hatte er bereits den Verdacht, dass dort mehr Eis abfloss als bisher berechnet – so berichtet er es gegenüber Videnskab.dk. Das Ergebnis fiel noch viel deutlicher aus als erwartet. 

Das Einzugsgebiet dieses Eisstroms umfasst 12 Prozent des Inlandeises. Er ist mehr als 600 Kilometer lang und endet mit dem Nioghalvfjerdsfjords-Gletscher  und dem Zachariae-Eisstrom im Meer. Shfaqat Abbas Khan und sein Team platzierten drei Messstationen direkt auf dem NEGIS, zwischen 90 und 190 Kilometer entfernt vor der Mündung. Die Geräte sammelten Daten von 2016 bis 2019.

Schneller Rückzug des Zachariae-Eisstroms

Von Satellitenmessungen war bereits bekannt, dass NEGIS in den vergangenen zehn Jahren an Tempo zugelegt hatte,  doch es ließ sich schwer herauslesen, wie schnell und wie weit diese Entwicklung ins Inland reichte. Die auf dem Eis gemessenen Daten wurden mit den Satellitenmessungen abgeglichen. Auffällig waren vor allem die Veränderungen am Zachariae Isstrøm, der bis 2012 noch einigermaßen stabil durch eine Schwelle am Meeresboden gehalten wurde. Seitdem dieser Punkt überschritten ist, zieht sich die Front schnell zurück, was durch den abfallenden Meeresboden begünstigt wird. Nahe der Mündung ist das Eis fünf bis sechs Meter dünner geworden. Aber selbst weit im Inland, 100 bis 200 Kilometer von der Mündung entfernt, hat das Eis in den vergangenen zehn Jahren um zwei bis drei Meter abgenommen, so die Studie.

Stärkerer Meeresspiegel-Anstieg

Aus dem schnelleren Eisfluss folgt auch ein stärkerer Beitrag zum Meeresspiegel-Anstieg: Bis 2100 werden 13,5 bis 15,5 Millimeter allein auf das NEGIS-Eis zurückzuführen sein.

Die Wissenschaftler vermuten, dass auch andere Eisströme bisher unterschätzt wurden, weil keine genauen Messungen dazu vorliegen.

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