Island. Am kommenden Samstag, 26. Mai. sind auf Island Kommunalwahlen. In der kleinen Gemeinde Árneshreppur mit nur 46 Einwohnern geht es dabei um das ganz große Ding: ein neues Wasserkraftwerk aus drei Flüssen mit fünf Dämmen. Das Projekt ist extrem umstritten – und kurz vor der Wahl bekam die Gemeinde plötzlich Neubürger.
Nach Árneshreppur kommen nur selten Touristen: Es liegt weit abseits der Ringstraße, in Nordwesten, den Westfjorden. Die kleine Gemeinde hat Probleme, ihre Einwohner zu halten. Die Schule ist zurzeit geschlossen, nachdem die letzte Familie mit Kindern in dem Alter weggezogen war. Im Winter ist die einzige Straße zum nächstgrößeren Ort oft nicht nutzbar.
Arbeitsplätze würde auch das geplante Kraftwerk, Hvalárvirkjun, auf Dauer nicht bringen, denn, einmal fertig, soll es automatisch laufen. Die Gemeinde würde allerdings mehr Steuern einnehmen. Versprochen wird auch eine stabilere Stromversorgung.
So soll das geplante Kraftwerk funktionieren: Bisher fließen die Flüsse Rjúkandi, Hvalá und Eyvindarfjarðará unabhängig voneinander von ihrem Ursprung in der Hochebene Ófeigsfjarðarheiði hinab in den Ófeigsfjörður. Das Wasser dieser drei soll nun mit Hilfe von insgesamt fünf Staudämmen zusammengeführt und dann durch die Turbine geschickt werden. Statt der bisherigen kleinen Seen würden drei neue, größere entstehen. Die bisherigen Flussläufe hatten dann deutlich weniger Wasser. Das Werk soll eine Leistung von 55 Megawatt haben und im Jahr 320 Gigawattstunden Strom produzieren.
Das Projekt ist im Land und in der Gemeinde selbst wegen des Eingriffs in die Natur höchst umstritten. Eine erste Entscheidung fiel mit knappestmöglicher Mehrheit, wie Islandsbloggen angesichts aktueller Ereignisse noch einmal erinnerte. Denn einige wurden besonders aufmerksam, als sich rechtzeitig vor den Kommunalwahlen 18 Neubürger in Árneshreppur anmeldeten. Ein Journalist und früherer Parlamentsabgeordneter veröffentlichte die Namen der Zuzügler und identifizierte einige als Teil der Widerstandsbewegung gegen Hvalárvirkjun. Die Meldebehörde hat begonnen, die Namen der „Neuen“ zu überprüfen. Zwölf sind inzwischen wieder aus dem Wählerverzeichnis gestrichen. Allerdings sind auch unter den bisher akzeptierten 46 Einwohnern solche, die im Winter anderswo wohnen.
Das sind jedoch nicht die einzigen Schlagzeilen, die Árneshreppur gerade macht. Pfingstsonntag machte der Vorsitzende der Umweltbewegung Rjúkandi, die gegen das Kraftwerk kämpft, in einem Facebook-Beitrag öffentlich, dass die Vorsitzende und die Mehrheit des Gemeinderates bei Fragen der Genehmigungsbehörde enger mit der Kraftwerksgesellschaft zusammenarbeitete als üblich. RÚV, mbl.is und Vísir nahmen das auf.
Die Diskussion um den Kárahnjúkar-Staudamm, der 2006 in Betrieb genommen wurde, hatte Island gespalten und bei vielen das Bewusstsein dafür geschärft, dass Energieerzeugung auf der Insel ihren Preis hat. Im Oktober 2017 gab es eine Artikelserie in Morgunblaðið zum Thema Energieerzeugung auf Island. Zu Hvalárvirkjun wurde Guðmundur Ingi Guðbrandsson interviewt, damals Geschäftsführer von Islands Naturschutzverband (Landvernd). Der meinte damals, die Einrichtung eines Nationalparks inklusive Personal würde Árneshreppur mehr helfen. Der nördlichste Teil der Westfjorde, die Hornstrandir, steht bereits unter Naturschutz. Guðmundur Ingi Guðbrandsson ist inzwischen Umweltminister der neuen Regierung. Allerdings hat seine Partei, die Links-Grünen, nicht die Mehrheit in der Koalition.
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