„Fornorskingspolitikk“: Hartes Urteil der Wahrheitskommission

Norwegen. Es war nicht richtig, Samen, Kvenen, Norwegen- und Waldfinnen zur Assimilierung zu zwingen und ihnen Sprache und Kultur zu rauben. Das hat tiefe Verletzungen hinterlassen. So lautet in Kurzform das Fazit der norwegischen Wahrheits- und Versöhnungskommission, die ihre Ergebnisse gestern im norwegischen Parlament vorstellte. Der Report ist mehr als 700 Seiten lang und wurde in ganzer Länge im Nationaltheater vorgetragen. Darüber berichtete NRK.

Dagfinn Høybråten

Kommissionsleiter Dagfinn Høybråten stellt das Ergebnis vor. Foto Peter Mydske/Stortinget

Die norwegischen Wahrheits- und Versöhnungskommission wurde im Juni 2018 vom Parlament mit folgendem Auftrag versehen:

  • Die Arbeit der norwegischen Behörden zur Norwegisierung (Fornorsking) von Samen, Kvenen, Norwegen- und Waldfinnen zu untersuchen und darzustellen, auf lokalem, regionalem und nationalem Niveau.
  • Die Auswirkungen dieser Politik bis heute auf die betroffenen Gruppen und die Mehrheitsgesellschaft zu untersuchen.
  • Maßnahmen zur Versöhnung vorzuschlagen.

Bittere Fakten zur Assimilierungspolitik

Kultureinschlag

Emma Elianne Oskal Valkeapää und Georg Buljo bei der Vorstellung des Berichts im Parlament. Foto Peter Mydske/Stortinget

Die meisten Fakten zur „Fornorskingspolitikk“, die die Kommission nun aufzählt, waren im Prinzip schon bekannt, wurden aber noch nie so umfassend und komprimiert dargestellt wie nun im Bericht der Kommission. Dazu gehören auch die 760 Erfahrungsberichte von Betroffenen und deren Nachkommen. Die aktive und zielgerichtete Norwegisierungspolitik begann im 19. Jahrhundert und wurde bis weit in das 20. Jahrhundert hinein fortgesetzt. Die Sprachen und Kulturen der Samen, Kvenen, Norwegen- und Waldfinnen wurde auf allen Ebenen unterdrückt und die Assimilierung vorangetrieben. Das begann schon in der Schule, wo Kindern verboten wurde, ihre Muttersprache zu sprechen. Der „Erfolg“ ist unter anderem, dass die Sprachen häufig gar nicht mehr in die nächste Generation weitergegeben wurden. Von den Waldfinnen wissen die meisten Leute gar nicht, dass es sie überhaupt gab und gibt.

Text im Nationaltheater vorgetragen

Der komplette Text des Berichts wurde als Nonstop-Lesung auf der Bühne des norwegischen Nationaltheaters vorgetragen. Hundert Personen beteiligten sich daran, die Lesung dauerte rund 30 Stunden. Die Aktion ist bereits ein erstes Schritt zu dem, was díe Kommission als Maßnahme empfiehlt: Das Wissen über diese Politik zu verbreiten, Bewusstsein für die Folgen zu schaffen und die Folgen insbesondere durch Unterstützung der Kultur- und Sprachvermittlung abzumildern.

Wie weit geht die Versöhnung?

Während die Unterstützung von Sprache und Kultur dieser Minderheiten noch vergleichsweise unproblematisch umzusetzen sind, wird es schon schwieriger, wenn es um harte Interessenskonflikte geht, beispielsweise um die Landnutzung. Ein sehr aktuelles Beispiel dafür ist der aktuelle Konflikt um die Windkraftanlagen in Fosen, wo einfach Fakten geschaffen wurden.

Früherer Artikel zum Thema: Samische Wahrheitskommissionen in Norwegen, Finnland und Schweden

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