Zukünftig Zweiklassengesellschaft in Longyearbyen

Longyearbyen/ Spitzbergen (Norwegen). Aller Widerspruch hat nichts genutzt: Bei der nächsten Kommunalwahl dürfen Ausländer nicht mehr mitstimmen. Die norwegische Regierung ändert die geltenden Bestimmungen, um sicherzustellen, dass die örtliche Selbstverwaltung weiter die norwegische Spitzbergenpolitik umsetzt. Die Betroffenen – und nicht nur die – finden das undemokratisch.

Zumindest vor den Eisbären sind alle gleich. Foto Thomas Christiansen

Bisher war die Regelung so: Ausländer durften den örtlichen Gemeinderat (Longyearbyen Lokalstyre) mit wählen und selbst kandidieren, wenn sie drei Jahre lang in Longyearbyen gemeldet waren.  Das kommunale Wahlrecht für Ausländer nach drei Jahren gibt es auch in allen anderen norwegischen Kommunen.

Bisher hat die Praxis nicht dazu geführt, dass Longyearbyen Lokalstyre von Ausländern dominiert ist: Von den 15 Mitgliedern haben 14 die norwegische Staatsbürgerschaft. Die Vertreterin der grünen Umweltpartei ist die mit einem Norweger verheiratete Schwedin Olivia Ericson, die seit neun Jahren in Longyearbyen wohnt. Laut NRK sind unter Longyearbyens 2500 Einwohnern 700 ohne norwegischen Pass. „Kann man das Demokratie nennen, wenn so viele wegfallen?“, fragt die Schwedin, die bei der nächsten Kommunalwahl nicht mehr antreten und auch niemanden mehr wählen kann.

Kommunale Mitbestimmung künftig nur bei Anknüpfung an Festland-Norwegen

Nach der neuen Regelung ist es für Ausländer nur dann möglich, das Stimmrecht in Longyearbyen zu erhalten, wenn sie zuvor drei Jahre lang in einer Kommune in Festlandnorwegen gelebt haben. Das trifft auf die meisten aber nicht zu – auch nicht für Olivia Ericson.

Aufgrund des Spitzbergenvertrags gelten auf der Inselgruppe teilweise andere Regeln als auf dem Festland. Für Ausländer gibt es weniger Beschränkungen, allerdings auch keine Unterstützung: Wer sich nicht selbst versorgen kann, muss gehen. Der Aufenthalt auf Spitzbergen zählt auch nicht, wenn jemand norwegischer Staatsbürger werden möchte. Allein durch einen Aufenthalt auf Spitzbergen ist es also nicht mehr möglich, das Recht auf lokale politische Mitbestimmung zu erwerben – auch nicht nach zehn oder 20 Jahre.

Norwegisches Geld und norwegische Politik

Die norwegische Justizministerin Emilie Enger Mehl (Senterpartiet) begründet dies damit, dass die Anknüpfung an Festland-Norwegen die Voraussetzung dafür sei, um ein Verständnis für die Rahmenbedingungen der norwegischen Spitzbergenpolitik zu gewinnen. Außerdem finanziere Norwegen mit Steuermittel vom Festland auch Infrastruktur auf Spitzbergen. Die Steuersätze auf Spitzbergen sind gering, weil dieses Geld laut Spitzbergenvertrag nur für bestimmte Zwecke eingesetzt werden darf.

Longyearbyen Lokalstyre ist allerdings ein Gremium mit lokal begrenzter Macht, das es auch erst seit 2002 gibt. Darüberhinaus untersteht die Inselgruppe direkt der Regierung, die von allen Norwegern, und nur von diesen, gewählt wird.

Wird die Lokaldemokratie irrelevant?

Hintergrund der neuen Regelung ist, dass in den vergangenen Jahren zunehmend mehr Ausländer nach Longyearbyen gezogen sind. Viele von ihnen arbeiten im Tourismus. High North News zitiert den Vorsitzenden von Longyearbyen Lokalstyre, den Sozialdemokraten Arild Olsen: „Wenn die Ausländer bei der Kommunalwahl nicht abstimmen dürfen, kann das die Lokaldemokratie irrelevant machen“. Er fürchtete auch, dass dies eine Kluft zwischen den Einwohnern schaffe.

Die russischen und ukrainischen Bergwerksarbeiter auf Spitzbergen betrifft die Regelung nicht, denn diese leben in Barentsburg. Sie hatten in Longyearbyen ohnehin kein Stimmrecht.

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