Deutschland tat und tut sich schwer mit der Öffnung von Schulen und Kitas nach der Corona-Pause. Die Länder im Norden waren da schneller. Was lässt sich von dort lernen? Eine Übersicht.
Island, Norwegen und Finnland auf einer Linie
Island ließ Kitas und die unteren drei Klassenstufen die ganze Zeit über mit besonderen Auflagen offen, die anderen kehrten ab dem 4. Mai zurück in die Gebäude. Norwegen öffnete die Kitas am 20. April wieder, die ersten Schulklassen am 27. April. Finnland begann am 14. Mai mit der Rückkehr zum Präsenzunterricht. Diese drei Länder verfolgen ein ähnliches Konzept wie Deutschland: Wird ein Fall von Covid-19 diagnostiziert, werden die Kontakte verfolgt und müssen in Quarantäne. Medien berichten von einzelnen Fällen, in denen es zu vorübergehenden Schließungen von Klassen, Schulen oder Kitas kam, wenn ein Fall entdeckt wurde. Die entsprechenden Räume wurden gereinigt, Kontakte im Personal und unter den Kindern in Quarantäne geschickt. Insgesamt scheint es zu funktionieren und die Öffnung der Schulen hat die Verbreitung des Virus nicht wieder befeuert. Während die Sicherheitskonzepte in den Einrichtungen anfangs noch sehr aufwendig waren, wurden sie auf Island und in Norwegen bereits gelockert. Norwegen führt nun ein „Ampelmodell“ ein, bei dem je nach Situation einfache oder erhöhte Vorsichtsmaßnahmen gelten, abgestimmt auf die jeweilige Altersgruppe.
Schweden: Viel Erfahrung, wenig Analyse
Viele internationale Studien zur Verbreitung von Covid-19 über Kinder hatten das Problem, dass sie angesichts der Schulschließungen keine Alltagsbedingungen mehr vorfanden. Auch der deutsche Virologe Christian Drosten thematisierte dies mehrfach. In Schweden lagen diese Alltagsbedingungen vor: Kitas und Schulen bis inklusive 9. Klasse blieben unter Auflagen offen, nur die gymnasialen Oberstufen (Gymnasieskolor) gingen zu Fernunterricht über. Die zuständige Behörde (Folkhälsomyndigheten) ging davon aus, dass Kinder bei der Verbreitung des Virus nur eine geringe Rolle spielen. Schulschließungen hätten sehr negative Wirkungen auf die Kinder – und die Eltern fehlten sonst im Job.
Lehrer nicht häufiger krank als andere Berufsgruppen
Folkhälsomyndigheten hat gerade eine Übersicht zum Thema Covid-19 veröffentlicht. Die schwedische Statistik zu Erkrankungen von Kindern bestätigt andere Untersuchungen, nach denen Kinder von Covid-19 umso weniger und umso leichter betroffen sind, je jünger sie sind. Laut Folkhälsomyndigheten seien außerdem Kita- und Schulpersonal nicht häufiger erkrankt als andere Berufsgruppen. Daraus wird geschlossen, dass die Verbreitung der Infektion in Schulen nicht größer ist als in der Gesellschaft allgemein. Datenmaterial dazu wurde allerdings bisher nicht veröffentlicht. Gestern wurde bekannt gegeben, dass auch die oberen Klassen für die „Sommerschulen“ (für diejenigen, die etwas aufzuholen haben) und ab Herbst wieder zum Präsenzunterricht übergehen.
Eine tiefere Auswertung der Corona-Schulzeit in Schweden liegt jedoch bisher nicht vor. Insbesondere die wichtige Frage, ob und wie Kinder in der Schule das Virus verbreiten, scheint bisher nicht systematisch untersucht worden zu sein. Die Epidemiologin Carina King vom Karolinska Institut sagte in einem Interview mit Science, sie und Kollegen seien dabei, Projekte zu starten, doch fehle an vielem, nicht zuletzt an finanziellen Mitteln. Offenbar gab es in dieser Frage auch keine große Unterstützung von der Gesundheitsbehörde.
Verpasste Chance?
In den Medien wurde berichtet, dass es insbesondere Anfang April einen hohen Krankenstand gab, sowohl unter Lehrpersonal als auch bei den Kindern. Denn es sollte ja jeder zuhause bleiben, der sich krank fühlte. Wer von diesen nun nur eine Erkältung hatte und wer Covid-19, erfuhren nur diejenigen, die so krank waren, dass sie ärztliche Hilfe brauchten. Vorsorgliche Quarantäne für Kontakte und Angehörige ohne Symptome wird in Schweden nicht verhängt. Landesweit bekannt wurde der Fall eines Lehrers aus Skellefteå, der an Covid-19 starb. Danach wurden alle 76 Lehrer getestet, 18 davon positiv, die Schule schloss für zwei Wochen. Die Schüler wurden nicht getestet. Begründung: Es sei bekannt, dass das Virus in der Bevölkerung vorhanden sei. Der Artikel in Science zitiert Anita Cicero von der Johns Hopkins University: „In Schweden hatten sie die seltene Gelegenheit, Infektionsketten in Schulen besser zu verstehen. Aber man findet nichts, wonach man nicht sucht.“
Mehr zur schwedischen Corona-Strategie:Covid-19 in Schweden: Weniger Antikörper nachgewiesen als erwartet