Rezension: „Die Töchter des Bärenjägers“ von Anneli Jordahl

„Die sieben Brüder“ von Aleksis Kivi ist ein finnischer Klassiker aus dem Jahr 1870. „Die Töchter des Bärenjägers“ der Schwedin Anneli Jordahl, gerade in deutscher Übersetzung herausgekommen, hätte auch „Die sieben Schwestern“ heißen können, denn Jordahl ließ sich explizit von Kivis erst posthum richtig anerkanntem Werk inspirieren. Nicht zuletzt gibt es reichlich Alkohol und Prügeleien, ganz wie im Original. Abgesehen davon, dass die Hauptfiguren weiblich sind, hat die Autorin die Handlung aber auch noch in die Gegenwart verlegt – gewagt!

Buchcover

Anneli Jordahl: Die Töchter des Bärenfängers

„Die sieben Brüder“ ist ein Entwicklungsroman: Aus streitsüchtigen Taugenichtsen, die nicht lesen können, werden nach einigen dramatischen Abenteuern im Wald fleißige, geachtete Hofherren. Auch die analphabetischen Schwestern finden schließlich ihren Weg, allerdings deutlich individueller, und ihre Abenteuer sind andere. 150 Jahre nach den sieben Brüdern hat sich die Welt schließlich sehr verändert – und auch das Schreiben.

Was sind das für Mädchen/junge Frauen, die den Weg in den Wald gewählt haben, um zukünftig mehr oder weniger als Selbstversorgerinnen zu leben? Das Szenario geht weit über den Geschlechtstausch der Hauptfiguren hinaus. Jedenfalls waren die Schwestern schon vorher Außenseiterinnen, der Vater war gegen den Schulbesuch und brachte ihnen dafür das Jagen bei. Die Vaterfigur ist sehr dominant, fast religiös überhöht, erst recht, als er tot ist.  Seine „Regeln“ sind „keine Behörden, keine Männer“. Die Jagd- und Handwerkskünste sichern den Töchtern im Wald immerhin das Überleben.

Der Kampf ums Überleben

Doch geschildert wird keine romantische Idylle, sondern ein ziemlich realistischer Kampf. Unter dem Kommando von Johanna, der Ältesten, die sich als Erbin des Vaters sieht und mit harter Hand über den „Stamm“ herrscht. Die Gruppendynamik ist ebenfalls alles andere als überhöht – der Ton ist roh, Schläge inbegriffen. Doch es ist dieselbe Gruppe, die auch Schutz bietet und Spaß hat. Die Existenz im Wald wird dann durch ein äußeres Ereignis abrupt beendet – und das Vaterbild beginnt zu bröckeln.

„Die Töchter des Bärenjägers“ faszinieren durch ihren Lebens- und Überlebenswillen, aber auch durch die anschaulichen Schilderungen und den Humor. Der Transfer in die heutige Zeit gelingt dabei erstaunlich gut. Möglicherweise, weil der Traum vom abgeschiedenen Leben im Wald bis heute nicht ausgeträumt ist. Auch wenn die wenigsten dabei auf ihr Handy verzichten wollten.

Anneli Jordahl ist eine schwedische Autorin, Essayistin und Literaturkritikerin. „Die Töchter des Bärenjägers“ ist im Hoffmann und Campe Verlag erschienen und wurde von Nina Hoyer aus dem Schwedischen übersetzt.

 

Mehr Bücher:

Rezension: „Die Frau des Obersts“ von Rosa Liksom

Dieser Beitrag wurde unter Finnland, Literatur, Schweden veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert