Longyearbyen/Spitzbergen (Norwegen). Als Longyearbyen im vergangenen Herbst sein Kohlekraftwerk abschaltete, klang das wie eine gute Nachricht: Der arktische Ort, an dem der Klimawandel schon so deutlich zu spüren ist, senkt seinen eigenen CO2-Ausstoss. Doch mit der Ersatzlösung gibt es offenbar Probleme – so große, dass der Sysselmester jüngst das Militär zu Hilfe rief und Stromaggregate eingeflogen wurde. Auch über den Preis wird weiter diskutiert. Und wie die angestrebte wirklich klimafreundliche Energielösung aussehen soll, bleibt bis heute vage. Darüber berichteten Svalbardposten und spitzbergen.de.
Die Abschaltung des altersschwachen Kohlekraftwerks, das Longyearbyen jahrzehntelang mit Strom und Fernwärme versorgte, war ein symbolischer, aber umstrittener Schritt. Denn die Kohle gibt es vor Ort und sie sichert Arbeitsplätze. Der Treibstoff für die Dieselmotoren, der neuen Hauptenergiequelle, muss dagegen auf die Insel geliefert werden. Es heißt, dass sich die CO2-Bilanz im Vergleich trotzdem lohnt. Inzwischen hat sich allerdings herausgestellt, dass die bereits seit Monaten praktizierte neue Lösung erst einmal genehmigt werden muss, denn die unterscheidet sich ja von der alten – ist aktuell also „illegal“.
Skeptisch waren viele auch, was die Zuverlässigkeit der Diesel-Lösung betrifft. Man möchte auf Spitzbergen verständlicherweise nicht ohne Heizung sein, auch nicht ohne Strom. Als Longyearbyen die Dieselanlage der ehemaligen Kohlegrube Svea angeboten bekam, wurde noch abgewunken. Inzwischen ist klar: Die Zuverlässigkeit des Systems, das nun mittelfristig die Hauptlast tragen sollte, ist offenbar nicht so gut wie erhofft. Svalbard Energi berichtet von einem Winter mit Herausforderungen, . Eine schwerwiegende Havarie Mitte März ließ sich zwar mit vereinten lokalen Kräften beheben. Doch dem Sysselmester wurde das offenbar zu kritisch: Er ließ als schnelle Reserve Generatoren der norwegischen Streitkräfte einfliegen. Zukünftig, so erklärte Svalbard Energi inzwischen, werde man die Dieselaggregate von Store Norske aus dem geschlossenen Bergwerk Lunckefjell als Reserve leihen. Diese sollen die Funktion Militär-Generatoren übernehmen.
Hoffnung auf Hilfe aus Oslo
Das Misstrauen vor Ort gegen die neue Lösung ist so nicht verschwunden, wie Svalbardposten-Chefredakteurin Line Nagell Ylvisåker schreibt. Zumal auch eine Preiserhöhung droht, über deren Ausgestaltung gerade diskutiert wird, und es immer noch keinen konkreten Plan für die Zukunft gibt. Ein Anfang ist allerdings gemacht – am abgelegenen Standort von Isfjord Radio werden Energielösungen getestet. Die dortige Solaranlage gewann nun sogar einen Preis.
Die symbolträchtige Abschaltung des Kohlekraftwerks und das bevorstehende Ende des norwegischen Kohlebergbaus im kommenden Jahr (zurzeit wird noch Kohle an einen deutschen Industriebetrieb geliefert) war politisch gewollt. Nun hoffen die Einwohner von Longyearbyen, dass die Regierung auch Geld in die Hand nimmt, um die ebenfalls politisch gewollte norwegische Siedlung auf der arktischen Inselgruppe weiterhin unter akzeptablen Bedingungen zu ermöglichen.
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