Longyearbyen/Spitzbergen (Norwegen). Sind die geplanten Gesetzesänderungen für Spitzbergen ein notwendiger und wichtiger Schritt für den Naturschutz oder praxisferne Maßnahmen, die Tourismus und lokale Bevölkerung gleichermaßen beschränken? Im 2500-Einwohner-Ort Longyearbyen gab es jüngst eine Demo gegen die beabsichtigten Gesetzesänderungen – bisher ohne Erfolg. Darüber berichteten High North News, Svalbardposten und spitzbergen.de.
Der eine Gesetzesentwurf stellt unter anderem weitere Teile der Inselgruppe unter Schutz und beschränkt die Möglichkeiten, sich auf der Insel mit Motorschlitten zu bewegen – was das übliche Verkehrsmittel über einen großen Teil des Jahres ist. Argumente dafür sind der wachsende Druck durch den Tourismus und der Klimawandel. Beschränkungen zugunsten des Naturschutzes gab es vorher schon, nun werden es noch mehr. Viele Spitzbergen-Bewohner sind aufgebracht darüber, dass man ihnen das nehmen will, was sie dort am meisten schätzen: Aktivitäten in der Natur.
Der Tourismus – der in der Pandemiezeit gar nicht bis kaum stattfand – wird durch umfangreiche Regeln beschränkt. Unter anderem sollen in noch mehr Gebieten maximal 200 Passagiere an Bord eines Schiffes sein. Die Anlandungen von Schiffen werden auf wenige erlaubte Punkte begrenzt. Die Problematik der beschränkten Anlandungen hat Rolf Stange auf spitzbergen.de ausgeführt: Das Ankern muss sich nach den Wetter- und Windverhältnissen richten, und Stellen mit Eisbären müssen ebenfalls gemieden werden. Die neuen Regeln ließen den Touroperateuren nur noch sehr beschränkte Möglichkeiten.
Über die Köpfe der Betroffenen hinweg
Für Verärgerung sorgt außerdem, dass die Ortsbevölkerung und die Tourismusunternehmen erst jetzt, während des formellen Verfahrens der Öffentlichkeitsbeteiligung, angehört werden und nicht vorab. Nach der offiziellen Anhörung vergangene Woche wurde die Frist für die Stellungnahmen verlängert.
Der Gesetzesentwurf wurde noch von der Solberg-Regierung erstellt. Die neue Regierung hält aber offenbar daran fest. Der Tourismus wird nicht in jeder Hinsicht beschränkt, nur in den Schutzgebieten. Außerhalb davon dürfen weiterhin Kreuzfahrtschiffe jeder Größe fahren – was auch ein Sicherheitsproblem werden kann, denn die Rettungskapazitäten so weit nördlich sind beschränkt.
Demokratie nur noch für Norweger?
Neben diesen neuen Umweltgesetzen sorgt auch ein weiterer Entwurf für Unmut: Zukünftig sollen nur noch Norweger das Wahlrecht im erst seit 20 Jahren bestehenden Kommunalparlament haben. Anlass dafür ist der sinkende Anteil Norweger in Longyearbyen. Und noch weniger werden es sein, wenn die Kohlegrube 2023 schließt.
Der Journalist Arne O. Holm, ehemals Chefredakteur auf Spitzbergen und jetzt bei High North News, bezweifelt, dass Norweger unter diesen Bedingungen noch gerne auf Spitzbergen leben wollen – und ob norwegische Investoren etwas aufbauen wollen, wenn sich die Regeln ständig ändern. Sein Fazit: „Zu guter Letzt ist nicht nur die Frage, ob die Maßnahmen wirken wie beabsichtigt, sondern ob der Staat eigentlich weiß, was er will mit Spitzbergen“.
Früherer Artikel zum Thema: Bald Zweiklassengesellschaft in Longyearbyen?