Island: Wenn alle irgendwie verwandt sind

Island. Sämtliche isländischen Minister sind miteinander verwandt – und außerdem mit den Spielern der isländischen Fußball-Nationalmannschaft. Man muss allerdings schon ins 16. Jahrhundert zurückgehen, um die Ahnmutter zu finden, die alle im Stammbaum haben: Steinunn Guðbrandsdóttir, uneheliche Tochter des damaligen Bischofs von Hólar. Darüber berichtete Vísir.

Bankastræti

Alte Häuser, Bankastræti, Reykjavík. Doch das Gedächtnis reicht noch weiter zurück.

Das Blatt musste allerdings keine aufwendige Recherche anstellen, um diesen sehr speziellen Fall von „Vetternwirtschaft“ aufzudecken. Dazu genügen ein paar Klicks in der Datenbank „Íslendingabók„, nicht nur zufällig benannt nach dem gleichnamigen historischen Werk aus dem 12. Jahrhundert über die Geschichte Islands. Die Datenbank umfasst die Verwandschaftsverhältnisse von mehr als 90 Prozent aller Isländer und geht rund 1200 Jahre zurück. Ahnenforschung sei deshalb auf Island ein „Nicht-Hobby“, meint Islandsbloggen – es ist alles schon bekannt und leicht zugänglich.

Schon die Islandsagas begannen stets mit der Genealogie: Aus welcher Familie kommen die Protagonisten? Island, lange Zeit eine sehr überschaubare Gesellschaft und relativ isoliert, ist außerdem ein aufschlussreiches Forschungsobjekt für Genetiker auf den Spuren von Erbkrankheiten. 1996 gründete der isländische Neurologe Kári Stefánsson DeCode Genetics, eine Unternehmen, das aus den entschlüsselten Genen der Landsleute, die freiwillig dafür Blut spendeten, eine Datenbank zur medizinischen Forschung aufbaute. In Zusammenarbeit mit dem Programmierer Friðrik Skúlason entstand daneben die Datenbank „Íslendingabók“, mit allen bekannten Verwandschaftsverhältnissen, soweit sie sich zurückverfolgen lassen. Zu den Quellen gehören Kirchenbücher, offizielle Register, eine Volkszählung und frühe Überlieferungen. dafür

Íslendigabók und die Genetik

Kári Stefánsson und DeCode Genetics sind aus mehreren Gründen umstritten. Forschung zur Behandlung von Erbkrankheiten ist zwar ein heeres Ziel, doch eine Datenbank voller sensibler medizinischer Informationen bietet auch Möglichkeiten zum Missbrauch. Kári Stefánsson und der Genetik-Komplex haben bereits diversen Schriftsteller auf unterschiedliche Weise als Modell gedient, unter anderem  Arnaldur Indriðason in „Nordermoor“ oder  Sjón in „CoDex 1962“.

Weniger umstritten scheint dagegen die Verwandschafts-Datenbank „Íslendigabók“. Benutzen kann sie jeder, der eine isländische Personennummer (kennitala) hat. Insgesamt sollen 900 000 Menschen von der frühen Besiedlung bis heute darin verzeichnet sein. Man hat allerdings normalerweise nur Zugriff auf die nächsten Angehörigen und die direkten Vorfahren sowie auf Vorfahren von 1700 und früher, falls bekannt. Über eine App kann man aber auch testen, ob man eventuell mit der neuen Flamme näher verwandt ist, als es gesund wäre.

Alle Politiker mit langem Stammbaum

Allmannagjá

Politik-Geschichte: Allmannagjá, Þingvellir

Eine gemeinsame Ahnmutter, geboren 1571, ist da nichts Ungewöhnliches. Erstaunlich ist allerdings, dass sich offenbar auch politische Ansichten mit Verwandschaft verbunden sind: Alle drei Minister der Fortschrittspartei haben Verbindungen zur Bauersfrau Ragnhildur Arnbjörnsdóttir aus Borgarfjörður, geboren 1620. Die drei Links-Grünen inklusive Premierministerin Katrín Jakobsdóttir haben Guðrún Ellertsdóttir aus Reykjahlíð am Mývatn im Stammbaum. Und die Minister der Unabhängigkeitspartei sind außerdem verwandt mit Þórunn Jónsdóttir aus Reykhólar, geboren 1594.

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