Isländische Ministerin möchte historische Handschriften zurück

Island/Norwegen/Dänemark. Wer hat das Recht auf die mittelalterlichen Handschriften, die der isländische Gelehrte Árni Magnússon gesammelt hat? Die Hälfte davon liegt im gleichnamigen Institut in Kopenhagen. Island und Norwegen würden gerne Manuskripte ausleihen, die ihr Land betreffen, doch das Institut lehnte solche Anfragen zuletzt ab. Das führte zu Unmut.

Handschrift

Alte isländische Handschrift (Möðruvallabók). Foto GDK/ Wikimedia Commons

Árni Magnússon (1663-1730), geboren auf Island und später Professor an der Universität in Kopenhagen, ist der wichtigste Handschriftensammler der isländischen Geschichte. Zu seinen Lebzeiten gehörte Island zu Dänemark. Der Gelehrte brachte die historischen Manuskripte, die er auf Island fand, nach Kopenhagen, um sie zu studieren und sicher zu archivieren. Ein Teil der Manuskripte wurde aber bei dem Großbrand in Kopenhagen 1728 vernichtet. Árni Magnússon ist das Vorbild für die literarische Figur des Arnas Arnaeus in Halldor Laxness‘ „Islandglocke“, in verfremdeter Form vermutlich auch für Arne Saknussemm in Jules Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde“.

Zu Árni Magnússons Lebzeiten war Island arm und unterentwickelt, und es war für ihn offenbar nicht vorstellbar, dass die Manuskripte dort adäquat archiviert werden könnten. Das hat sich bekanntlich geändert. Nach Erlangung der Unabhängigkeit 1944 kämpfte Island dafür, seine historischen Schätze im eigenen Land zu lagern. 1965 beschloss der dänische Folketing, die Sammlung zwischen den Ländern zu teilen. Etwa 1400 der insgesamt 3000 Handschriften befinden sich heute noch in Kopenhagen, der Rest im  Árni-Magnússon-Institut (Stofnun Árna Magnússonar) der Universität in Reykjavík.

Keine Manuskripte nach Norwegen

Einige der Manuskripte betreffen auch Norwegen und sind Teil norwegischer Geschichte. Vergangenes Jahr bat der damalige norwegische Kultusminister Abid Raja darum, 12 davon für eine Ausstellung in der Nationalbibliothek in Oslo für längere Zeit zu leihen. Die Kommission der Arnamagnäanischen Sammlung in Kopenhagen lehnte die Anfrage ab. Fünf der angefragten Dokumente befanden sich allerdings in der dänischen Königlichen Bibliothek, von dort gab es grünes Licht.

Manuskripte zur Einweihung nach Island?

 Lilja Dögg Alfreðsdóttir

Bildungs- und Kulturministerin Lilja Dögg Alfreðsdóttir. Foto Stjórnarráðið

Die isländische Bildungs- und Kultusministerin Lilja Dögg Alfreðsdóttir setzt sich schon länger dafür ein, dass mehr Manuskripte nach Island kommen. Auf Island wird ein neues Forschungsinstitut aufgebaut, im kommenden Jahr soll es eingeweiht werden. Dafür wünschte sich die Ministerin die Rückgabe weiterer Manuskripte, zumindest als langfristige Leihgabe. Sie wirft dem dänischen Institut außerdem vor, das historische Erbe nicht vertragsgemäß zu verwalten, es werde zu wenig daran geforscht. 

Angst vor der Rückgabe?

Die Ablehnung der norwegischen Anfrage wurde auf Island sehr wohl registriert – und auch das Ergebnis der Recherche von Danmarks Radio (hier und hier): Danach sollte offenbar kein Präzedenzfall geschaffen werden, nach dem auch Island langfristig Handschriften ausleihen könnte. Dies auch vor dem Hintergrund, dass immer mehr Sammlungen historische Artefakte aus der Kolonialzeit an ihre Ursprungsländer zurück geben müssen.  Das fände die isländische Ministerin auch richtig: „Die Handschriften sind Islands Seele, und zurzeit liegt ein Teil von Islands Seele in einer verschlossenen Kiste in Kopenhagen“, so Lilja Dögg Alfreðsdóttir  in Danmarks Radio.

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