Norwegen. Wenn kommende Woche bei der Klimaschutzkonferenz in Bonn um die Möglichkeiten zur Begrenzung der Erderwärmung gerungen wird, wird es wieder solche geben, die die Folgen bereits am eigenen Leib spüren, wie die Delegation von Fidschi, und solche, die am liebsten alles ignorieren würden und weitermachen wollen wie bisher.
Wissenschaftler können nicht ignorieren, was längst begonnen hat. In norwegischen Medien wurden vergangene Woche zwei unterschiedliche Studien diskutiert, die aber zum gleichen Ergebnis kamen: Die Erwärmung des Meeres ist bereits dabei, die bestehenden Lebensgemeinschaften und Nahrungsketten in der Barentssee zu verändern.
Unter anderem macht der atlantische Kabeljau, ein großer, wenig wählerischer Raubfisch, zunehmend dem kleineren Polardorsch Konkurrenz und wird sich mit steigenden Wassertemperaturen noch weiter nach Norden ausbreiten. Der Lebensraum arktischer Fische, beispielsweise des Polardorschs, der von Zooplankton und kleinen Krebsen lebt, schrumpft. Der Polardorsch steht unter anderem bei Meeressäugern, aber auch beim Kabeljau, auf der Speisekarte.
Die Barentssee ist für Wissenschaftler so interessant, weil dort zwei Zonen aufeinandertreffen: Die „wärmere“, die nicht zufriert, und die arktische, die normalerweise im Winter von Eis bedeckt war. Eisalgen dienen als Nahrung für das Zooplankton. Doch die Grenze hat sich bereits verschoben. Das Wasser ist im Durchschnitt um 1,5 Grad wärmer geworden und länger eisfrei.
Die eine Studie stammt von Norwegens arktischer Universität Tromsø in Zusammenarbeit mit den Meeresforschungsinstituten in Tromsø (Havforskningsinstituttet) und Murmansk (Polar Research Institute of Marine Fisheries and Oceanography, PINRO). Ein Artikel dazu wurde gerade im amerikanischen Wissenschaftsmagazin PNAS veröffentlicht. Als Datenbasis dient die schon seit Jahrzehnten von den beiden Forschungsinstituten in Abstimmung durchgeführte ökologische Bestandsaufnahme in der Barentssee. Insgesamt werden 52 Fischarten untersucht. Artikel-Autor André Frainer geht davon aus, dass einige arktische Arten dort aussterben werden. Weiter nach Norden können sie nicht ziehen, da es dann für sie zu tief wird. Damit würden sie in der Nahrungskette fehlen, vor allem im Winter.
Für die andere Studie haben 20 deutsche Institute zusammengearbeitet, Geomar in Kiel, die Kieler Universität, das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, die Universität Bremen und das Institut für Ostseeforschung in Warnemünde. Schwerpunkt war hier die Ozeanversauerung und die Wechselwirkung mit der Erwärmung, die Ergebnisse wurden gerade vorgestellt und sind unter anderem in einer Broschüre zusammengefasst veröffentlicht. Die Barentssee ist eins der Fallbeispiele. Zu ihren Ergebnissen gehört, dass die fortschreitende Meereserwärmung und Versauerung sich negativ auf die frühen Stadien des Fisch-Nachwuchses auswirken wird – und damit letztlich auch auf den Kabeljaubestand, der dann noch für den Menschen zur Ernährung übrig bleibt.